Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
zweifele und verzweifle nicht, Ida. Gott hat es gut mir dir gemeint, auch wenn er es dir nicht leicht macht. Aber das ist Teil seiner Prüfungen.“
„ Teil seines Spiels!“
„ Ja. Teil seiner Schöpfung.“, sagte Conradus und lächelte versöhnlich. Er erhob sich.
„ Es ist Zeit, schlafen zu gehen. Ich bin sehr müde. Schlafe auch du.“, sagte er. Gemeinsam verharrten Sie noch in einem stillen Gebet zur Nacht und verabschiedeten sich dann.
Conradus war schwindelig vor Müdigkeit. Auf dem Weg zu seiner Kammer traf er Gottfried. Der Vogt wünschte Conradus zu sprechen. Conradus willigte ein. Der Vogt brauchte offensichtlich jemanden, dem er seine Gedanken anvertrauen konnte. Conradus erbleichte, als er die Geschichte Gottfrieds hörte, der ihm alles von Walram, seinem Sohn und dem Kommen des Markgrafen erzählte.
Als Conradus Ida verlassen hatte, legte sich Ida zu Bett. Sie war müde wie lange nicht, aber an Schlaf war nicht zu denken. Nicht zu letzt die Worte Conradus´ hatten sie aufgewühlt. Ida wälzte sich in der dunklen Stube von links nach rechts. Sie hatte die Lider geschlossen, trotzdem tanzten zusammenhangslos Bilder vor ihren Augen. Farben flackerten aus dem Nichts, undefinierbare Flecken Lichts, die ein Rot und ein Grün verwoben, ein Gelb und ein Blau. Alles war in einem pulsierenden Fluss. Dazwischen erhoben sich Gesichter aus dem Licht. Erinnerungen an die letzten Tage, an ihre Kindheit. Das Gesicht ihrer Mutter tauchte auf. Nie hatte sich Ida gefragt, ob ihre Mutter glücklich gewesen war. Sie war noch jung als ihre Mutter starb, in einem Alter, in dem sich Kinder über ihre Eltern keine Gedanken machten, in dem Eltern einfach da waren. Wie die Sonne. Der Mond. Der nächste Tag. Jetzt, da sie selbst lange Mutter sein sollte, hatte sich das geändert. Sie überlegte, ob ihre Mutter mit ihrem eigenen Schicksal auch so gehadert hatte, wie sie es heute tat. Zu gerne hätte sie ihre Mutter gefragt. Aber diese Frage musste warten, bis sie ihre Mutter im Jenseits traf. War es dann noch von Bedeutung? Ida wälzte sich auf die andere Seite.
Was ist von Bedeutung?
Sie dachte an Albert, ihren kleinen Bruder. Der Altersunterschied war beträchtlich und so war sie für ihn mehr die Mutter als die Schwester. Hatte sie deshalb nie das eigene Kind vermisst? Wie auch immer, Albert hatte eine Bedeutung für Ida. Er war Teil ihrer inneren Heimat. Ihres Zuhauses. Einem Zuhause, dass immer dort war, wo sie war. So hatte auch Conradus seinen Platz in ihrem Herzen. Er war mehr als nur Lehrer oder Beichtvater. Conradus war ihr Freund. Wenn diese Freundschaft auch etwas Befremdliches hatte, so machte ihre Eigenart sie umso einzigartiger. Ein Leben ohne Conradus oder Albert mochte sich Ida nicht vorstellen. Sie fragte sich warum? Es lag daran, dass sie beide von klein auf kannte. Aber es war mehr. Beide ließen sie sein, wie sie sein wollte. Und dann war es Ida klar. Johann hatte es geschafft, ihr in den wenigen Stunden, dass Gefühl zu geben, dass sie sie selbst sein durfte. Und dass ihr Selbst liebenswert war. Ida erwischte sich, dass sie ihm glauben wollte. Am liebsten wäre sie nach unten gelaufen, wäre hinüber zum Bergfried und zum Kerker gelaufen, um ihn zu fragen. Sie überlegte, was sie fragen würde. Dann verwarf sie alles wieder. Es hatte alles keinen Sinn. Es lag nicht in ihrer Hand. Johann war überführt und würde seiner Strafe nicht entkommen. Ida beschloss, den Herold mit den schönen Worten und den schönen Augen als eine von Gott geschenkte Erfahrung dankbar aufzunehmen, so wie es Conradus vorgeschlagen hatte. Oder hatte sie den Mönch doch falsch verstanden? Ida grübelte und schlief darüber endlich ein.
Johann war hellwach. An Schlaf war nicht zu denken. Es musste Nacht sein, da war sich Johann sicher. Warum er das so genau wusste, konnte er nicht beschreiben. Seine innere Uhr war in der permanenten Dunkelheit, in der schwarzen Geräuschlosigkeit durcheinander gekommen. Tag. Nacht. Alles das gleiche. Johann fragte sich, wie es sein mochte, wie es war, länger hier zu sein. Einen Tag, Eine Woche. Dann schüttelte er den Kopf. Hatte er das nicht schon einmal gedacht? Hatte er darauf eine Antwort gefunden? Was machte es schon? In diesem Loch lernte man recht schnell, dass man keine Bedeutung für die Welt hatte. Die Bedeutung seines Selbst existierte mitunter nur für einen selbst. Die Welt dort draußen hörte nicht auf zu atmen, zu laufen, zu sprechen. Die Tage wurden nicht länger.
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