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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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verkauft wie nur möglich, bevor sie sich mit ihrem finanziellen Sicherheitspolster aus China absetzen. Und das heißt, dass unser Informant allmählich leichtsinnig wird.« Jackson streichelte ihre nackte Hüfte.
    »Aber das ist sein Problem«, meinte sie nach einer Weile. »Wenn er Fehler macht, ist das doch nützlich für euch.«
    Er starrte sie an, vielleicht verwundert über ihren Zynismus. »Das eigentliche Problem ist jemand anders, der ihm auf der Spur ist. Bei der Menge an Material, die wir kriegen, ist es bloß eine Frage der Zeit, bevor der Scheißkerl unseren Mann enttarnt. Verstehst du?«
    Sie nickte.
    Jackson nahm die Hand von ihrer Hüfte. Seufzend rieb er sich über die Augen. »Xin Zhu, so heißt der Scheißkerl, und wenn er unseren Mann erwischt, knüpft er ihn auf und reißt ihm die Gedärme raus. Dann ist unser einziger Freund in der Regierung tot, und wir stehen mit leeren Händen da. Das ist das Problem. Diese jungen Burschen interessieren sich nur dafür, was für Material sie jetzt kriegen. Aber was wird nächsten Monat? Und nächstes Jahr?« Er schüttelte den Kopf. »Unser Problem heißt Xin Zhu.« Sie bebte innerlich, als er den Namen ihres Vorgesetzten erneut aussprach. »Wir müssen ihn uns irgendwie vom Hals schaffen.«
    Die Bedrohung war nichts Neues für ihn, aber vier Worte aus dem Bericht – von Ehrgeiz zerfressene Zicke – verrieten Zhu mehr, als er erhofft hatte. Er kannte nur einen hochrangigen Beamten im Ministerium, auf dessen Frau diese Beschreibung zutraf.

2
    Um fünf Uhr morgens war Xin Zhu ins Büro gekommen, um Liu Xiuxius neusten Bericht zu entschlüsseln und zu lesen, und er hatte das Gefühl, dass er die ganze Tragweite erst mit etwas mehr Schlaf einschätzen konnte. Trotzdem bestellte er sich ein Frühstück.
    Gerade hatte er nach einer Schüssel Congee mit Gänseeiern geschickt, als ihm sein piependes Handy eingehende Nachrichten meldete. Sie stammten von He Qiang, doch es handelte sich um weitergeleitete Meldungen seines Lieblingsagenten Xu Guanzhong, der die Aufgabe hatte, das Haus der Weavers zu überwachen.
    Xu Guanzhong hatte ein Zimmer gegenüber dem Apartment gemietet, direkt über dem Garfield Farm Market, und verfolgte alles über die installierten Mikrofone. Er hörte, wie Tina Weaver chinesisches Essen bestellte, es von einem Lieferanten in Empfang nahm und gegen fünf mit ihrem Mann telefonierte. Munter, unbeschwert.
    Nach dem Anruf wurde der Fernseher eingeschaltet, in dem eine Komödie lief. Einige Minuten später klopfte es an der Tür. »Mach’s nicht kaputt«, sagte Tina Weaver zu ihrer Tochter, als sie sich der Grenze des Mikrofonbereichs näherte und die Tür öffnete. »Hey« war ihr letztes Wort. Unmittelbar darauf der weiche Aufprall eines Körpers auf dem Boden. Stephanie Weavers Stimme: »Mom? Wer ist es?« Ein Ächzen.
    Rumoren. Schwere Schritte zur Wohnungstür hinaus. Stille. Die Schritte kehrten zurück, stoppten und verschwanden wieder. Stille. Schritte durchs Wohnzimmer, dann wurde der Fernseher ausgeschaltet. Zurück zur Eingangstür, die klickend einschnappte.
    He Qiang rief an, um die sonderbaren Geräusche zu melden, und sie besprachen die Optionen. He Qiang sah die einzige Möglichkeit darin, Xu Guanzhong hinüber in das Apartment zu schicken, aber Zhu war sich nicht sicher. In diesem Moment sagte He Qiang: »Warte. Gerade kommt eine Nachricht von ihm – jemand geht rein. Und gleich das Bild dazu. Es ist Milo Weavers Vater.«
    Zhu bekam alles live mit, denn inzwischen hatte Xu Guanzhong die Mikrofone mit He Qiangs Notebook kurzgeschlossen, und He Qiang hielt das Telefon so, dass Zhu mithören konnte. Jewgeni Primakow klopfte bei den Weavers und rief: »Hallo, die Damen?« Nichts. Er probierte es an der Tür, stellte fest, dass sie unverschlossen war, und ging wieder. Nach einigen Sekunden kehrte er mit vermutlich zwei anderen Männern zurück. Leise traten sie ein und durchstreiften die ganze Wohnung. Ein deftiger russischer Fluch – »sukin sin« – und dann auf Englisch. »Irgendwas, eine Spur.«
    Nach einer Minute eine Stimme mit südamerikanischem Akzent: »Ging ganz schnell. Kein Kampf.«
    »Hier ist eine Nachricht.« Die Worte klangen osteuropäisch.
    Ein weiterer russischer Fluch von Primakow folgte. Sie verließen die Wohnung, und Xu Guanzhong beobachtete, wie der Alte mit zwei jüngeren Männern aus dem Haus kam. Dann stoppte am Bordstein ein Chevrolet Malibu, in den Primakow und die anderen einstiegen. Zugleich gingen

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