Die Spinne (German Edition)
Ich glaube schon.«
»So verdammt gut, dass ein CIA -Mann streng vertrauliche Informationen ausplaudert, obwohl sie Chinesin ist?«
»Ich weiß es nicht«, bekannte Zhu. Um das Thema zu wechseln, erzählte er ihm den Rest. Milo Weavers Treffen mit den Verschwörern, dann das Verschwinden seiner Familie und die Ermordung seines Vaters.
Shen An-ling war sprachlos. Auch das war nicht unbedingt typisch für ihn.
»Damit ändert sich viel«, fügte Zhu hinzu.
»Es gibt einen anderen Akteur.«
»Zwei andere Akteure«, korrigierte Zhu. »Jewgeni Primakow ist mit Leuten angerückt, wahrscheinlich seine UN-Agenten, mit denen er wohl die Familie wegbringen wollte. Aber dann ist ein Dritter aufgetaucht, der die Frau und Tochter entführt und anschließend Primakow getötet hat. Eine äußerst unübersichtliche Situation.«
Inzwischen waren per E-Mail Xu Guanzhongs Fotos eingetroffen, unter anderem scharfe Aufnahmen von den drei Männern und der Frau, die Jewgeni Primakow in Brooklyn unterstützt hatten. Sie ließen die Gesichter durch ihre Datenbank laufen und erhielten drei Treffer. Einer, vermutlich der Mann mit dem südamerikanischen Akzent, den sie übers Mikrofon gehört hatten, war der Chilene Francisco Soto González, der drei Monate in Primakows Finanzabteilung beim Generalstabsausschuss des Sicherheitsrats gearbeitet hatte, aber vor zwei Jahren ohne Nennung von Gründen entlassen worden war und seitdem nicht mehr in den Akten geführt wurde. Die Frau und der Mann, die auf der Straße in Stellung gegangen waren, waren bekannte Außendienstagenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes.
Um sieben Uhr abends – Donnerstag, sieben Uhr morgens nach New Yorker Zeit – berichtete He Qiang, dass Milo Weaver zu seinem Treffen mit Leticia Jones aufgebrochen war. He Qiang bat um Erlaubnis, das Apartment zu betreten, doch Zhu verbot es ihm. »Die Wohnung ist praktisch radioaktiv verstrahlt. Wir wissen nicht, wer sie überwacht.«
Trotz des Ablenkungsmanövers mit Mexiko-Stadt blieben sie Jones und Weaver auf den Fersen, und am nächsten Morgen nach dem Eintreffen im Büro erfuhr Zhu von Milo Weavers Angriff auf Dennis Chaudhury. Trotz seiner wachsenden Anspannung musste Zhu einfach lachen. »Wie geht es dem Therapeuten?«
»Sein Ego hat eine dicke Beule abgekriegt«, antwortete He Qiang. »Er denkt, dass wir Weavers Familie entführt haben, und ist sauer, weil er nicht gewarnt wurde.«
»Lassen wir ihn in dem Glauben. Wir brauchen jemand in Frankfurt und dann noch jemand in Dschidda. Und du fährst bitte nach Washington zu Liu Xiuxiu und packst deine Sachen.«
»Wir können wieder nach Hause?«
»Sie bleibt noch eine Woche. Ihre Tarnung sollte nicht zu schnell auffliegen.«
»Ein kleiner Urlaub.«
»Sie hat es sich verdient.«
»Und der Therapeut?«
»Gib ihm die versprochene Prämie und sag ihm, er soll froh sein, dass Weaver noch was von ihm übrig gelassen hat. Wir brauchen ihn nicht mehr.«
He Qiangs Schweigen zog sich in die Länge.
»Was ist?«
»Wenn wir nur wüssten, wer Weavers Familie abgeholt hat.«
Es war Samstagmittag, als der Anruf kam. Er war zu Hause und hatte ein spätes Frühstück mit Sung Hui genossen, die gerade den Fernseher einschaltete. Seit Tagen hatte er den Blick ausschließlich nach Westen gerichtet, und so dachte er automatisch an Deutschland oder Saudi-Arabien, als der Sachbearbeiter im für die Territorien Hongkong, Macao und Taiwan zuständigen Dritten Büro sagte: »Genosse Oberst, wir sind auf einen Ihrer Ausländer gestoßen.« Doch vielleicht lag es nicht einmal an seiner Aufmerksamkeit für den Westen, sondern daran, dass er den ganzen Vormittag Sung Hui beobachtet und dabei an Milo Weavers verschwundene Frau in Amerika gedacht hatte. Wie auch immer, jedenfalls überraschte ihn die Meldung des Sachbearbeiters. »Sie haben einen Amerikaner namens Sebastian Hall auf die Liste gesetzt. Dieser Mann sitzt in einer Maschine, die gleich in Hongkong landet. Sollen wir ihn festnehmen?«
Ein Geschenk des Himmels. Alan Drummond kam zu ihm.
»Lassen Sie ihn passieren, aber setzen Sie mindestens sechs Leute auf ihn an. Sie dürfen ihn nicht aus den Augen verlieren.«
»Verstanden.«
Zwei Stunden später erfuhr er, dass Sebastian Hall – ein Weißer, auf den Alan Drummonds Beschreibung zutraf – Zimmer 212 im Peninsula Hotel bezogen hatte. Er schwelgte noch in seiner Freude, als er erneut einen Anruf erhielt, diesmal von Sun Bingjun. »Xin Zhu.« Er sprach schleppend, als hätte
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