Die Spinne (German Edition)
ihrer Wohnung. Sie verbrachten den größten Teil des Samstags miteinander, bis er aufbrechen musste, um ins ländliche Pennsylvania zu seiner Familie zu fahren. Genau an diesem Tag tauchte Alan Drummond in London unter.
Die ganze Aktion lief erstaunlich gut. Liu Xiuxiu hatte die Zielthemen noch nicht zur Sprache gebracht, doch Zhu vertraute ihr, denn auf diesem Gebiet war sie sicher beschlagener, als er es je sein würde. Allerdings hatte Jackson von sich aus über Projekte geredet, an denen er mit verschiedenen Politikern und Kongressausschüssen arbeitete. Er war als Berater tätig, erzählte er, denn er besaß einen Grad an Erfahrung, »den diese jungen Burschen gar nicht ermessen können. Manchmal denke ich mir, die würden glatt untergehen, wenn ich nicht da wäre, um die Löcher in ihrem Boot zu stopfen.« Dann erwähnte er, dass er aufgrund seiner großen Erfahrung auch an einem Projekt mitwirkte, »bei dem es um Fragen im Zusammenhang mit China geht«.
Statt sofort nachzuhaken, neckte sie ihn. »Du bist also ein Chinaexperte?«
»Das eine oder andere weiß ich.«
»Tatsächlich?« Sie streifte das Höschen ab, in das sie sich gerade gezwängt hatte.
Am Dienstag kehrten Jackson und seine Familie aus Pennsylvania zurück, und als er sie am folgenden Tag anrief, klang er aufgeregt. »Ich muss die ganze Zeit an dich denken. Wann können wir uns treffen?«
Diesmal hielt sie ihn hin. Ihr Onkel sei in der Stadt und wolle erst am Freitag wieder abreisen. Dieser Onkel war natürlich He Qiang, der nur für einen Tag gekommen war, um sich mit ihr abzustimmen und Kontakt zu Sam Kuo aufzunehmen. Am Samstag, den 21. Juni, als Milo Weaver seinen Geburtstag feierte, erschien Jackson in wilder sexueller Erregung, und das Bett blieb unbeachtet, denn sie fielen gleich auf dem Parkett übereinander her und zerfetzten bei dem Gerangel sogar ein Gemälde. Danach fing er an zu reden. Er stand unter unglaublichem Stress, erklärte er. Die Familie? »Ja. Nein, eigentlich nicht. Die Arbeit.« In dem Projekt, das er schon mal erwähnt hatte, hatte sich eine äußerst schwierige Zuspitzung ergeben.
»Das mit China?« Am liebsten hätte sie sich für ihre Direktheit geohrfeigt.
Doch er zögerte keine Sekunde. »Ja. Es ist … Weißt du, ich bin nicht mehr jung – das siehst du ja. Früher bin ich mit solchen Situationen locker zurechtgekommen, aber das ist lange her. Inzwischen bin ich eher eine Art Politiker. Ich kann bezaubern, ich kann lügen, ich kann Leute durchschauen. Aber wenn dann so was passiert, merkt man auf einmal, wie wenig Einfluss man eigentlich auf die eigene Welt hat.«
»Das versteh ich nicht.«
Schweigend streichelte er ihren Arm. Vielleicht überlegte er, wie viel er sagen konnte. »Ich bin kein Spion, zumindest nicht mehr.«
Sie setzte sich auf, weil es die einzige naheliegende Reaktion war. »Wer behauptet denn, dass du ein Spion bist?«
»Niemand, niemand.« Er winkte ab. »Vergiss es.«
Sie tat, als hätte sie es vergessen, und überschüttete ihn mit gesteigerter Zärtlichkeit, als er am Montagnachmittag für zwei Stunden vorbeischaute, und dann wieder am Mittwoch, den 25. Juni, an dem Milo Weaver nach Washington reiste, um sich mit Nathan Irwin und Dorothy Collingwood zu treffen. Liu Xiuxiu wusste nicht, dass Jackson beschlossen hatte, den Nachmittag mit ihr zu verbringen statt mit seinen Mitverschwörern, die Weaver auf den Zahn fühlten. Xin Zhu hingegen hatte keine Mühe, eins und eins zusammenzuzählen. Sicherlich war diese Entscheidung bedeutsam, doch noch bedeutsamer war, was er ihr erzählte. Erneut kam er auf seinen arbeitsbedingten Stress zu sprechen, und Liu Xiuxiu fragte: »Aber warum fühlst du dich denn wie ein Spion? Natürlich geht es mich nichts an, aber ich sehe doch, wie dich das mitnimmt.«
Die Antwort fiel ihm sichtlich schwer. »Weil … weißt du, was wir da aus China kriegen, ist eindeutig kein normales nachrichtendienstliches Material. Dafür ist es einfach zu gut. Wir haben jemand direkt in der chinesischen Regierung sitzen, der uns mit Unmengen an ausgezeichneten Informationen versorgt.«
Laut ihrem Bericht blieb sie äußerlich gefasst, aber das ließ sich natürlich nicht nachprüfen. Sie fragte: »Aber wo ist da das Problem? Das ist doch gut, oder?«
»Klar, aber es ist einfach zu viel Material, zu viel und zu gut. Angeblich steckt dahinter die Frau unserer Quelle, so eine von Ehrgeiz zerfressene Zicke. Sie stachelt ihn an, dass er uns so viel Informationen
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