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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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stellte ihre Freundin vor, die sich lächelnd im Hintergrund hielt, nach einer Weile jedoch vorschlug, später noch auf einen Drink zu gehen. »Nach allem, was ich über das Stück gehört habe, werden wir es nötig haben.«
    Nachdenklich spitzte Jackson die Lippen. »Mal sehen … ich müsste wohl was verschieben.«
    »O bitte «, rief Liu Xiuxiu mit kindlicher Begeisterung.
    The Bridge of Bodies erwies sich als Einpersonenstück über die Rückkehr einer Einwanderin in ihre Heimat Haiti, und es war wie angekündigt: Die zahlreichen Kostümwechsel, politischen Kommentare und Momente von magischem Realismus erforderten den einen oder anderen Drink im Anschluss, um das Dargebotene richtig zu verarbeiten. Auf dem Weg zur Bar klingelte das Telefon der Freundin, und sie musste sich verabschieden, weil ihr Freund früher als geplant aus Kanada zurückgekehrt war und sie zu sich zitiert hatte. »Sagen Sie ihm doch, er soll herkommen«, meinte Stuart Jackson, vielleicht aus Sorge darüber, wie die Sache enden könnte.
    »O nein, er ist unerträglich, wenn er schlechte Laune hat.« Mit einem vielsagenden Augenzwinkern in Liu Xiuxius Richtung zog sie sich zurück.
    An diesem ersten gemeinsamen Abend schnitt Liu Xiuxiu keine bedeutenden Themen an, und Stuart Jackson, der zwar kein Politiker war, aber das Benehmen eines Politikers hatte, wusste, dass man eine Frau weniger mit Feststellungen bezaubert als mit Fragen. Sie tischte ihm eine Geschichte über eingewanderte Eltern auf, die sie mit zehn nach Los Angeles gebracht hatten, über die Beschränkungen einer traditionellen Erziehung und über ihre Bemühungen, sich zu befreien und im Strom des amerikanischen Lebens mitzuschwimmen. »Optimismus.« Sie lächelte. »Das ist das Geschenk Amerikas an die Welt.«
    Sie ließ fallen, dass sie allein lebte, bat ihn jedoch nicht hinein. »Wenn jemand auf einem Zaun sitzt«, erklärte sie Zhu später, »dann ist Stoßen eher schädlich.« So endete der Abend auf keusche Weise damit, dass sie zusammen mit Jackson zu ihrer Wohnung fuhr und ihm dann vom Gehsteig aus nachwinkte, als er sich im Wagen entfernte. Er hatte ihre Telefonnummer, aber sie hatte ganz bewusst darauf verzichtet, ihn nach seiner zu fragen.
    Jackson rief sie am Montag, den 9. an, dem Tag, da Alan Drummond nach Seattle flog, und lud sie für Mittwoch zum Abendessen ein. Zhu hatte bald herausgefunden, dass Jacksons Familie die Woche über verreist war, und er gab diese Information an Liu Xiuxiu weiter. »Das ist gut«, teilte er ihr bei einem ihrer seltenen Telefonate mit.
    »Ja.« Sie stockte.
    »Was ist?«
    »Es geht zu schnell.«
    »Sie sagen doch, dass er Sie mag. Dass Sie sich gut mit ihm verstehen.«
    »Er mag mich, aber er ist auch vorsichtig. Er stammt aus der Welt der Geheimdienste. Ich dachte eigentlich, dass ich ihm wieder in dem Café begegnen muss.«
    »Seine Familie ist nicht in der Stadt. Vielleicht sieht er das als seine einzige Chance.«
    »Vielleicht.«
    Ihm gefiel, dass sie ihre Erfolge bei aller Zuversicht mit einer gesunden Portion Skepsis betrachtete. Garantiert würde sie sich zu einer ausgezeichneten Agentin entwickeln.
    Am Mittwoch nach dem Essen in einem kleinen französischen Restaurant außerhalb des Beltway bat sie ihn zu einem Drink in ihre Wohnung hinauf. Er wirkte amüsiert über ihr kleines Zuhause und verwirrt von ihren Gemälden, deren Deutung sie ihm verweigerte. »Kunst ist Kommunikation«, erklärte sie, »und wenn sie nicht von allein funktioniert, ist sie gescheitert.« Sie spürte seine Begeisterung über den freundlichen Empfang in der Welt der Künstler, und als sie ihm ein zweites Glas Scotch einschenkte, fragte er: »Hätten Sie was dagegen, wenn ich Sie küsse?«
    Sie lachte, doch als sie seine Bestürzung bemerkte, fügte sie schnell hinzu: »Ich warte seit Elektra darauf, dass Sie mich küssen.«
    Am Morgen nahm er mit beschwingtem Schritt von ihr Abschied. Sie merkte ihm an, dass das etwas Neues für ihn war; er hatte nicht geahnt, wie befreiend es sich für ihn anfühlen würde. Als sie ihren Bericht verfasste, erwähnte sie sogar, dass er im Bett großzügig war und zuerst darauf achtete, dass sie zu ihrem Orgasmus kam, ehe er sich auf seinen konzentrierte. Unwillkürlich musste Zhu an den Sex mit Sung Hui denken und fragte sich, was sie über ihn zu erzählen hätte.
    Den ganzen Donnerstag über war Jackson ausgebucht, doch am Freitag erschien er nach dem Besuch eines Empfangs um ein Uhr morgens leicht betrunken vor

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