Die Spinne (German Edition)
du ihm gesagt, dass du ihm nur ein paar Fragen stellen willst?«
Keine Antwort.
»Natürlich hat er sich gewehrt, du Idiot. Er hat Angst. Hast du seine Akte gelesen?«
Hoang warf ihm einen kurzen Blick zu, doch das reichte, um seine Beschwerden abzuwürgen.
Zwei Stunden später erwachte Henry Gray, und Alan reichte ihm einen angestoßenen Becher Kaffee. Gray nahm ihn zögernd an.
»Das mit Ihrem Gesicht tut mir leid«, erklärte Alan. »Er sagt, Sie haben sich gewehrt.«
»Ich wollte weg.« Grays Stimme war brüchig vor Dehydrierung.
»Trotzdem, es tut mir leid. Ich muss nur mit Ihnen reden, und es ist wichtig, dass niemand weiß, wo Sie sind.«
»Wen meinen Sie mit niemand? Die Ungarn?«
»Nein, Henry. Ich meine die Chinesen.«
Gray nickte langsam.
»Ich bin hier, um mit Ihnen über Rick zu reden.«
»Rick.«
»Sie haben einen ganzen Monat mit dem Mann verbracht, und ich würde gern alles über ihn erfahren, was Sie wissen.«
»Ich dachte, die Sache ist vorbei.«
»Das haben Sie wirklich geglaubt? Ein Journalist von Ihrem Format?«
Henry Gray machte ein gequältes Gesicht, und Alan fragte sich, ob er diese Äußerung als Sarkasmus verstanden hatte. Format besaß Gray allenfalls in den Augen der Anhänger von Verschwörungstheorien, und Alan war schon gefasst auf eine Tirade gegen multinationale Konzerne und die CIA , unter großzügiger Berücksichtigung des militärisch-industriellen Komplexes. Andererseits hatte Gray tatsächlich schon mehr durchgestanden, als die meisten Menschen ausgehalten hätten. Er hatte sich verändert.
»Ich will nur nach Hause«, meinte er schließlich. »Also los, stellen Sie Ihre verdammten Fragen.«
»Sie machen sich zu viele Sorgen«, bemerkte Leticia. »Ich komme rein und geh ein bisschen shoppen, dann bin ich wieder weg.«
»Aber man wird Sie bemerken. Früher oder später wird man Sie bemerken.«
»Ich sorge dafür, dass es später sein wird. Wirklich, Alan, Sie sollten sich mal ausschlafen. Der Plan ist gut.«
Sie saßen in einem mexikanischen Restaurant in North Bergen. Sie hatte ihre erste Margarita ausgetrunken, während Alan seine nicht berührt hatte. Allmählich drängten die ersten Mittagsgäste herein. Er beugte sich vor. »Was hat Ihnen Collingwood erzählt?«
Auch sie neigte sich zu ihm. »Wovon reden Sie?«
»Bin mir nicht sicher.«
»Auch sie ist der Meinung, dass der Plan gut ist. Die anderen genauso.« Leticia fasste nach seiner Hand, und in ihren leuchtend roten Fingernägeln spiegelte sich das Licht der Deckenlampen. »Sie sind ein Meister der Täuschung. Dem fetten Chinesen wird ganz schwindlig werden bei dem Versuch, das Ganze zu durchschauen. Und genau da setzen wir an. Ich gehe rein und schüre seine Angst.«
Sein Stirnrunzeln wurde stärker, obwohl sie recht hatte. Der Plan war gut. Eine Reihe von Ablenkungsmanövern, um Zhu aus der Fassung zu bringen, während gleichzeitig der staatliche Druck von innen auf ihn wuchs. Entweder geriet er in Panik und beging einen Fehler, der ihn noch mehr schwächte, oder er folgte den Anhaltspunkten, bis er in der richtigen Ecke des Zimmers stand, wenn sie hereinstürmten, um ihn zu töten.
Leticias Ausdruck wurde ernst. »Die Sache liegt Ihnen wirklich am Herzen.«
»Es ist das Einzige, was ich noch habe.«
»Das stimmt nicht. Sie haben Ihre Ehe.«
»Nicht mehr lange, wenn ich das nicht hinkriege. Dann geht alles in die Binsen.«
Sie schob die Lippen vor. »Es war nicht Ihre Schuld, wissen Sie. Wirklich nicht.«
»Das sagt Milo auch immer.«
»Haben Sie ihn überreden können, sich der großen Sache anzuschließen?«
Alan schüttelte den Kopf.
»Sehen Sie? Er kennt seine Prioritäten. Nur Leute wie Sie und ich wissen nicht, wo’s langgeht.«
»Du hörst mir nicht zu, Alan, das seh ich dir doch an. Jetzt atme mal durch, damit du wieder ein bisschen zur Besinnung kommst.«
»Ich hab alles mitgekriegt«, antwortete er.
Sie saßen in dem sicheren Haus in Georgetown – komische Bezeichnung für ein Haus, das vom Guoanbu observiert wurde –, und er hatte schon die zweite Zigarette geraucht. Dorothy war allein gekommen, weil die anderen angeblich keine Zeit hatten, doch ihm war klar, dass sie bloß keine Szene wollte. Die anderen sollten nicht den Eindruck gewinnen, dass sie ihn nicht unter Kontrolle hatte.
»Denk an die Ebenen«, fuhr sie fort. »Auf deiner Ebene ergibt das keinen Sinn. Aber auf meiner ist es die einzige Möglichkeit. Die Ausgangslage ist nicht mehr die gleiche.«
»Das
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