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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Zielpersonen, mit schmalem Gesicht, dünnem Schnurrbart und schwarzen Augen. »Hinter diesem Mann steht ein Fragezeichen. Wir wissen, dass er sich in New York mit Alan Drummond getroffen hat, aber wir haben keine Ahnung, wer er ist und ob er in irgendeinem Zusammenhang mit dieser ganzen Sache steht.«
    »Er könnte ein Tourist sein«, gab He Qiang zu bedenken. »Wir hatten keine Bilder von ihnen, nur ihre Codes.«
    »Ein Tourist?«, fragte Liu Xiuxiu.
    Zhu wäre es lieber gewesen, wenn He Qiang den Mund gehalten hätte, doch jetzt war es zu spät. »Agenten. Agenten aus Alan Drummonds früherer Abteilung. Sie hießen Touristen und hatten lange Zeit einen legendären Ruf.«
    Liu Xiuxiu benahm sich, als würde sie jeden Tag solche Unterhaltungen führen. »Darf ich fragen, was mit der Abteilung passiert ist?«
    »Wir haben sie vernichtet.« Zhu wollte keine Einzelheiten nennen, die vielleicht ihr Vertrauen in ihren neuen Auftraggeber erschüttert hätten. Schließlich suchte er He Qiangs Blick. »Du konzentrierst dich auf Drummond, und dafür greifst du auf den Therapeuten zurück. Wir vermuten, dass Drummond im Mittelpunkt steht. Sobald du rausgefunden hast, was er vorhat, musst du bereit sein zum Zuschlagen. Du bekommst fünf zusätzliche Leute zur Unterstützung.«
    »Ist Xu Guanzhong frei?«
    »Ich erkundige mich.«
    »Danke.«
    Erneut griff Xin Zhu in seine Aktentasche und förderte zwei Flugtickets mit neuen Namen zutage. »Am Flughafen wartet jemand mit euren Pässen auf euch.«
    »Wer ist das?« Liu Xiuxiu streckte die Hand nach einem Foto aus, das kurz davor war, vom Tisch zu rutschen. Es zeigte einen ungefähr vierzigjährigen Mann mit schwerlidrigen Augen, und darunter standen die Namen Milo Weaver, Sebastian Hall und Charles Alexander.
    »Ein weiteres Fragezeichen«, antwortete Zhu. »Milo Weaver hat freundschaftlichen Kontakt zu Alan Drummond und war ebenfalls Agent der Abteilung. Er wurde vor Kurzem schwer verletzt und ist wohl nicht an der Sache beteiligt, doch angesichts seines vertrauten Umgangs mit Drummond können wir uns nicht sicher sein. Auch um ihn muss sich He Qiang kümmern.«
    Liu Xiuxiu legte das Foto wieder zurück.
    »Sind Sie aufgeregt?«, fragte Zhu.
    Mit nachdenklicher Miene starrte sie auf Milo Weavers düsteres Gesicht. »Ich bin noch dabei, meine Gefühle zu sortieren, Genosse Oberst.«
    »Und wohin neigen diese Gefühle?«
    Lächelnd schaute sie zu ihm auf. »In einem Punkt bin ich mir ganz sicher.«
    »Und der wäre?«
    »Dass es gut für mich war, den Beruf zu wechseln.«
    »Warum?«
    »Weil ich es satthatte, nur mir selbst zu dienen.« Sie wandte den Blick ab.
    Nach einem Moment des Schweigens senkte Zhu die Stimme zu einem Flüstern. »Liu Xiuxiu, wenn ganz China solche dichterischen Worte finden könnte, wären wir das größte Land der Geschichte.«
    Im Büro stellten er und Shen An-ling eine Liste von fünf Agenten zusammen, die He Qiang in Manhattan unterstützen sollten. Xu Guanzhong war zwar mit einer Langzeitoperation in Toronto befasst, doch Zhu beschloss, ihn ebenfalls hinzuzuziehen. Nachdem Shen An-ling mit den fertigen Pässen zum Flughafen aufgebrochen war, ging Zhu noch einmal die Akten durch. Er begann mit den Überwachungsberichten über Alan Drummond und arbeitete sich langsam zurück, bis er das chronologisch umgekehrte Profil des Mannes vor sich hatte. Ein Arbeitsloser, der wieder sein Büro im zweiundzwanzigsten Stock der 101 West Thirty-first Street bezog und auf Computermonitoren die systematische Tötung von dreiunddreißig Agenten, seinen Touristen, in allen Winkeln der Erde verfolgte. In diesem umgedrehten Leben verblasste Drummonds Elend beim Blick auf den Bildschirm, und nach dem Massaker war er ein neuer Mensch, voller Zuversicht und Lebenslust. Wie Zhu war er verheiratet und liebte seine Frau. Doch im Gegensatz zu Zhu hatte er nie Kinder gehabt, und das war wahrscheinlich der entscheidende Unterschied.
    Vor einem Jahr hatte Xin Zhu erfahren, dass sein Sohn Delun zusammen mit anderen chinesischen Arbeitern bei Reparaturen an der sudanesischen Pipeline von Leal zum Roten Meer getötet worden war. Er war kaum in der Lage, seine Emotionen zu begreifen, und so überließ er es seinem Instinkt, Ziele vorzugeben. Zuerst richtete er sein Augenmerk auf die Horde von Wüstenbewohnern, die den Lastwagen seines Sohnes angegriffen hatten. Fragen wurden ihnen gestellt, vor allem nach dem Warum. Ihre Antwort: Wegen des Mordes an ihrem geliebten Geistlichen, dem

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