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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Mullah Salih Ahmad; er hatte gegen chinesische Firmen gewettert, die im sudanesischen Sand herumgruben und das sudanesische Öl raubten. Zhu wusste aus erster Hand, dass China nicht an diesem Mord beteiligt war. Aber wer steckte dann dahinter? Sicher nicht die Regierung al-Bashir, die genau wusste, welchen Zorn der Tod des Geistlichen auslösen würde. Durch Informationen von einer Quelle, die er schon vor Jahren im Büro von Senator Nathan Irwin angelegt hatte, erfuhr er schließlich, dass der Mord auf das Konto einer besonders heimtückischen CIA -Abteilung ging, die die Tat China in die Schuhe schieben wollte, um die Bevölkerung gegen die chinesische Ölförderung aufzubringen. Das also war die unmittelbare Ursache für den Tod von Delun, Zhus einzigem Kind.
    Obwohl er Monate mit den Vorbereitungen zubrachte, war er wie so oft im Leben nicht Zeuge, als der eigentliche Schlag geführt wurde. Er erinnerte sich noch, wie er im Büro saß, in diesem Büro, direkt unter dem Bild von Hu Jintao, eingehüllt in den Rauch seiner Hamlets, und auf eine Nachricht wartete. Auf irgendetwas. Die erste Meldung kam von Sam Kuo: James Pearson wurde festgenommen. Dieser Satz bedeutete, dass nun alle Karten auf dem Tisch lagen und dass es keinen Grund mehr zur Zurückhaltung gab. Da kannte er bereits das gesamte Kommunikationsverfahren der Touristen und nutzte dieses Wissen zu seinem Vorteil. Die meisten seiner Angestellten schickte er nach Hause, und in dem fast stillen Büro forderte er die verbliebenen Mitarbeiter auf, die erste Welle von SMS abzusenden. Insgesamt siebenunddreißig, an jeden sogenannten Touristen eine. Ein Code, gefolgt von der Anweisung, an einen bestimmten Ort zu reisen und jemanden zu töten – in jedem einzelnen Fall einen anderen Touristen – und bis zur Erledigung des Auftrags vollständiges Schweigen zu bewahren.
    Doch er konnte sich nicht darauf verlassen, dass sich die Touristen einfach gegenseitig auslöschten, daher ging eine zweite Welle von SMS an Zhus Agenten, die schon seit Tagen in ihren jeweiligen Städten auf ihren Einsatzbefehl warteten. Auf der ganzen Welt setzten sich Männer und Frauen in Bewegung, die für die Transportagentur arbeiteten.
    Später erhielt er Berichte, die er tagelang wieder und wieder las; seine Leute hatte er gebeten, alle Einzelheiten aufzuführen, damit ihm seine Fantasie keine Lügen vorgaukelte. Neubewertung und Selbstkritik waren ein unabdingbarer Teil der permanenten Revolution.
    Nach fast zwei Monaten kannte Zhu die Berichte praktisch auswendig. Er sah eine Straße in Phnom Penh, wo auf dem Sisowath-Kai der achtundzwanzigjährige He Peng wartete, dessen Eltern kurz nach seiner Geburt bei einem Erdbeben in Dawu von einem Betondach erschlagen worden waren. Der Säugling wurde aus den Trümmern geborgen und in staatliche Obhut gegeben. In einem anderen Leben wäre er wohl zum Bauern aufgewachsen und hätte die tektonisch bewegte Provinz Sichu an wahrscheinlich nie verlassen. Jetzt aber war er ein weit gereis ter junger Mann mit guter Ausbildung und scharfem Verstand, ein Mann von Welt mit dem Magnetkartenschlüssel eines kambodschanischen Hotels in der Tasche und einer Pistole, die hinten am Rücken an einem Schnürsenkel hing und ihn mit ihrem langen Schalldämpfer an der Taille kitzelte.
    Den Angaben aus seiner SMS folgend konnte He Peng den Amerikaner identifizieren, den sie als Nr. 1 bezeichneten, als er das Amajaya Pancam Hotel betrat, und folgte ihm hinein. He Pengs sekundäre Zielperson – Nr. 2 – war im ersten Stock und wartete darauf, Nr. 1 zu töten.
    Zhu hatte sich bemüht, es allen so leicht wie möglich zu machen. Jeder hatte eine Nr. 1 und eine Nr. 2. Jeder wusste, dass seine beiden Zielpersonen zunächst versuchen würden, sich gegenseitig zu liquidieren. Und jeder hatte nur die eine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass beide Amerikaner ihr Ziel erreichten. »Wir vollziehen die Tat nicht selbst, wir verhelfen ihr nur zur Geburt« – so hatte er es einigen erklärt.
    In He Pengs Fall erwies sich die Geburtshilfe als unzureichend. Als er zu dem Zimmer im ersten Stock gelangte, nahm er hinter der verschlossenen Tür Stimmen wahr, die sich auf Englisch unterhielten. Einer der beiden war anscheinend verletzt, während sich der andere um die Wunde kümmerte. He Peng wartete. Als eine Männerstimme sagte: »Ich hole noch mal Wasser« und kurz darauf das Zischen eines Hahns zu hören war, zog er die Pistole unter dem Hemd hervor und benutzte den

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