Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
Vom Netzwerk:
sie zu retten, doch das war ihm nicht gelungen. Als ihm der Vater des ermordeten Mädchens vor neun Wochen eine Kugel in den Leib jagte, hatte Milo das überhaupt nicht als ungerecht empfunden. Zwar hatte nicht er das Mädchen getötet, aber es wäre noch am Leben gewesen, wenn Leute wie er nicht existiert hätten. Das war die unleugbare Wahrheit. Letztlich war Milo genauso schuldig wie der Mann, der ihr das Genick gebrochen hatte, und in seinem Traum übten die Männer, deren Sprache dem Moldawischen ähnelte, gerechte Vergeltung. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie sehr er diesen Traum auch hasste, er wusste, dass er ihn wahrscheinlich sein ganzes Leben lang heimsuchen würde.
    Eine Woche nach dem gemeinsamen Abend, am Freitag, den 13., hinterließ Penelope eine Nachricht auf Tinas Telefon. Alan war nicht in der Stadt, deswegen musste sie das geplante Diner in der Wohnung der Drummonds absagen. Als Tina zurückrief, ging Penelope nicht hin, daher probierte es Milo mit Alans Handynummer. Als sich sein ehemaliger Chef meldete, klang er fahrig, wie jemand, der seine innere Unruhe überspielen will.
    »Wo bist du?«, fragte Milo.
    »Jedenfalls nicht in Manhattan. Erzähl mir nicht, dass ihr zwei so auf dieses Essen angewiesen seid.«
    »Übersee?«
    »Du wolltest nichts damit zu tun haben, weißt du noch?«
    »Daran hat sich auch nichts geändert.« Dennoch spürte Milo plötzlich den Drang zu erfahren, was Drummond beabsichtigte. Das Gespräch letzte Woche auf dem Dach hatte ihm nicht gefallen. Er war besorgt, dass sich Alan in Schwierigkeiten bringen könnte, und Tinas Bericht über die kriselnde Ehe der Drummonds hatte seinen Befürchtungen neue Nahrung gegeben. Es war fast mit Händen zu greifen, dass Alan Drummond im Begriff stand, sich in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu stürzen. »Alles in Ordnung bei dir?«
    »Natürlich.«
    »Wie sieht es nächste Woche aus?«
    »Warum ladet ihr nicht einfach Pen zu euch ein? Ich bin … also, wir sind nicht mehr zusammen.«
    »Seit wann?«
    »Alles halb so wild. Sobald ich ein paar Dinge geregelt habe, sehen wir zu, dass wir das wieder hinkriegen.«
    Obwohl ihn Tina auf so eine Entwicklung vorbereitet hatte, war Milo überrascht. »Wann ist das passiert?«
    »Zwei Tage nach dem Abend bei euch.«
    »Und?«
    »Und am Telefon rede ich nicht über mein Eheleben. Kapiert? Frag einfach Pen. Sie hat deiner Frau sowieso schon alles erzählt.«
    »Aber ich möchte gern deine Seite hören.« Milo fragte nicht aus Neugier nach, sondern aus Furcht. Er hatte schon erlebt, dass sich Eheprobleme wie fallende Dominosteine fortpflanzen und die verborgenen Verwerfungen in allen Beziehungen eines Bekanntenkreises an die Oberfläche treiben konnten.
    »Wie ist dein Bewerbungsgespräch gelaufen?« Offenbar hatte Alan keine Lust, sich ihm anzuvertrauen.
    »Was?«
    »Du wolltest dich doch ins Arbeitsleben eingliedern.«
    »Ich habe das dumpfe Gefühl, sie haben meine Referenzen tatsächlich überprüft.«
    »Wenn die Abteilung noch beisammen wäre, hätten wir dir ein ausgezeichnetes Zeugnis ausstellen können.«
    »Pass auf dich auf, Alan.«
    »Ladet Pen zu euch ein, sie ist wahrscheinlich einsam.«
    Übers Wochenende war Penelope nicht in der Stadt, weil sie zu ihrem Bruder nach Boston gefahren war, daher kam sie erst am Montagabend zu ihnen. Milo fiel auf, dass sie tatsächlich einsam und bedrückt wirkte und sich ganz offensichtlich nach Gesellschaft sehnte. Es war nicht unbedingt hilfreich, dass Stephanie beim Essen dabei war, und Penelope reagierte nur mit Verwirrung, als die Kleine das Fehlen von Tomaten in Tinas Salat auf ziemlich eigenwillige Weise deutete.
    »Mom meint, wir sterben alle, wenn wir Tomaten essen. Weil da Fische drin sind.«
    »Fische?«
    »Salmonen«, konstatierte Stephanie.
    »Salmon ellen «, verbesserte Tina. »Und ich hab nicht gesagt, dass wir davon sterben. Aber es ist besser, kein Risiko einzugehen. Schon über zweihundert Leute sind erkrankt – hast du das gewusst?«
    »Nein«, murmelte Penelope in ihren Kopfsalat. »Davon hab ich nichts gehört.«
    Solange Stephanie dabei war, war keine richtige Unterhaltung möglich. Doch als sie endlich ins Bett gebracht worden war, nahmen sie strategische Positionen um ihren Gast ein. Tina ließ sich neben Pen auf der Couch nieder, und Milo setzte sich auf den Sessel gegenüber. Diese Anordnung erinnerte ihn auf klägliche Weise an das Bewerbungsgespräch von letzter Woche, das er bis zum Schluss durchgestanden hatte, um

Weitere Kostenlose Bücher