Die Spinne (German Edition)
seine Professionalität zu beweisen, obwohl er schon nach der zweiten Frage gewusst hatte, dass sie ihn nicht anrufen würden. Er schob sich ein Nicorette in den Mund und fragte: »Wo ist Alan? Ich hab mit ihm geredet, aber er hat es mir nicht verraten.«
Penelope zuckte die Achseln und nippte an ihrem frisch gefüllten Glas Wein.
»Seid ihr nicht miteinander in Verbindung?«
»Er hat mich nicht angerufen, falls du das meinst. Vielleicht sucht er sich eine Freundin.« Sie schaute Tina an. »Das kann man jedenfalls nur hoffen.«
Milo war ein wenig ratlos und wartete darauf, dass Tina den Stab übernahm, doch sie erwiderte nur mit einem traurigen Lächeln Penelopes Blick. Er fühlte sich ausgeschlossen von der melancholischen Intimität der beiden Frauen und fragte sich, ob ihm Tina wirklich alles über das Gespräch mit Pen erzählt hatte. Vielleicht hatte Penelopes plötzlicher Mangel an Liebe zu ihrem Mann eine verwandte Saite in ihr berührt.
Schließlich wandte sich Penelope wieder ihm zu. »Tja, ich hab’s getan. Hab ihn rausgeschmissen. Am … Sonntag? Ja. Vor über einer Woche. Er hat mir erzählt, dass er wegfahren muss, und da hab ich ihm gesagt, dass er gar nicht zurückkommen braucht. Ich hatte es satt.«
»Was hattest du satt?«
»Die Geheimniskrämerei. Die Launen. Alles, was eine Frau nur dann aushalten kann, wenn sie ihren Mann wirklich liebt.«
Tina starrte ihn an. Ihr Gesichtsausdruck war undurchdringlich – wollte sie, dass er den Mund hielt? Doch dafür sah er keinen Grund. »Alan meint, dass er es in Ordnung bringen kann, sobald er wieder zurück ist. Das hat er mir gesagt.«
Penelope nickte.
»Wie denkst du darüber?«
Penelope hob das Glas an die Lippen.
Es war wie bei manchen Verhören, die er geleitet hatte. Verschämtes Schweigen, verlegenes Grinsen. In solchen Situationen hätte er sein Gegenüber am liebsten geohrfeigt, doch jetzt war er einfach nur verwirrt. Was wollten sie denn eigentlich aus ihr herauskitzeln? Den Schlüssel zu einer gescheiterten Ehe?
Später, als die Frauen die zweite Flasche Wein angebrochen hatten – Milo blieb bei Tonicwater –, drehte Penelope den Spieß um. »Vielleicht kannst du es mir erklären, Milo. Was ist im März passiert?«
»Das weißt du doch. Die Abteilung hat sich aufgelöst. Alan macht sich Vorwürfe deswegen.«
»Zu Recht?«
Klare Schuldzuweisungen waren Milo eher fremd, auf jeden Fall versuchte er, sie zu vermeiden. Jetzt musste er sich einen Moment Zeit nehmen, um noch einmal die Abfolge der Ereignisse durchzugehen, die zu den flackernden Punkten auf einem Computermonitor geführt hatten. Wenn man schon einem einzigen Menschen die Schuld daran geben musste, dann war das aus seiner Sicht Senator Nathan Irwin, doch er hielt es für besser, Penelope davon nichts zu erzählen. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Die Fehler waren schon begangen worden, bevor er den Job übernommen hat. Als er kam, konnte er nichts mehr dagegen ausrichten. Aber in Langley hat man ihn dafür verantwortlich gemacht. Deswegen hat er jetzt Probleme, eine neue Stelle zu finden.«
»Nein«, antwortete Penelope. »Das ist ja gerade sein Fehler. Er hat es doch gar nicht probiert. Die ganze Zeit hat er in seinem Büro oder auf dem Klo gehockt und das Ende der Welt geplant. Deswegen frage ich dich: Was hat ihn so aus der Bahn geworfen? Seit er diesen verdammten Job übernommen hat, ist er nicht mehr derselbe.«
Milo war sich nicht sicher, wie viel Penelope wusste und wie viel sie wissen durfte. Er hatte Tina mehr erzählt, als angebracht oder gar legal war, aber Penelope … Tatsache war, dass sie sich von ihrem Company-Mann getrennt hatte, und wer konnte sagen, was sie im Lauf eines erbitterten Scheidungskriegs von sich geben würde? Er wusste einfach viel zu wenig über Penelope Drummond.
Also beschränkte er sich auf ein Minimum an Fakten. »Die Abteilung wurde nicht wegrationalisiert oder geschlossen. Sie wurde liquidiert. Im Verlauf von zwei Tagen wurden fast alle Agenten Alans getötet. Alan hat es so ausgedrückt: Die Abteilung ist sechzig Jahre lang gut gelaufen, dann hat er die Leitung übernommen, und sie wurde in sechzig Tagen ausgelöscht.«
Beim Sprechen beobachtete er sie genau, und als er zum Ende kam, war er sich sicher, dass sie nichts davon gewusst hatte.
»Wie viele?«
Er zögerte, sah aber keinen Grund für Ausflüchte mehr. »Dreiunddreißig.«
Ihr Gesicht erschlaffte. »Dreiunddreißig?«
»Ja.«
»O Gott.«
Tina zupfte schweigend an
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