Die Spinne - Niederrhein-Krimi
Blättchens erklärte, man werde prüfen, wie das mit wenig Aufwand zu beheben sei. Carola blieb kurz stehen, als das Wort Skandal an ihr Ohr drang.
Genau dies sei es, ein Skandal, eine öffentliche Ausstellung zu solchem Unfug zu missbrauchen. Der Abtransport werde kosten, man könne schließlich die Künstlerin nicht hängen lassen. Das Tier wiege circa einhundertfünfzig Kilo, es sei eine logistische Leistung gewesen, es dort zu platzieren.
»Da kannst du einen drauf lassen, das war es.«
Carola schaute sich um, konnte jedoch nicht ausmachen, wer hinter ihr eine Art öffentliches Selbstgespräch führte.
Man müsse nun gemeinsam mit den Mitarbeitern des Bauhofs schauen, wie das Tier wieder auf die Erde käme, ohne in der Bepflanzung großen Schaden anzurichten.
Neben Carola gesellten sich immer mehr neugierige Bürger, hinter sich hörte sie die Männerstimme erneut, die immer wieder brabbelte, man werde schon sehen, was dies zu bedeuten habe. Inzwischen begrüßte der Bürgermeister den Schöpfer des steinernen Tores, der, ebenfalls mit einer Kamera bewaffnet, sein Werk und die fremde Spinne aus allen Blickwinkeln heraus dokumentierte. Mit der Künstlerin des Objekts gemeinsam werde man einen unbürokratischen Weg finden.
»Ihr werdet schon sehen!«
Wieder hatte sich die Stimme aus dem Hintergrund gemeldet, während der Bürgermeister in das Mikrofon sprach, das ihm eine junge Reporterin des WDR entgegenstreckte. Das Lächeln hielt, die Frisur auch, sein blütenweißes Hemd leuchtete in der Sonne des frühen Vormittags. So nutzte man Vandalismus an öffentlich ausgestellter Kunst also zu Werbezwecken für die Stadt, ging es Carola durch den Kopf, während sie sich den Weg durch die Menschenmasse bahnte. Hinter ihr hörte sie deutlich die letzten Worte einer männlichen Stimme.
»Ich werde euch daran erinnern, dass ihr gelacht habt. Ich meine es ernst, verdammt ernst. Die Spinne kehrt zurück.«
»Alter Spinner«, dachte sie, lachte über das Wortspiel, das sich in ihrem Kopf entwickelte.
»Die fette Spinne und der Spinner.«
EINS
»Ich muss morgen nach Frankfurt.«
Louise Verfürth löste sich vom Anblick ihres Weihnachtsbaums, ganz entzückend in Silber und Weiß geschmückt, und blickte ihrem Mann nach, der durch die Diele zum Arbeitszimmer ging.
»Aber morgen ist doch erst der zweite Weihnachtstag, ich dachte immer, deine Geschäftspartner achten wenigstens diesen Feiertag.«
Er antwortete nicht. Das tat er nie, wenn sie es wagte, eine Spur von Kritik in Wort oder Betonung zu legen. Sie blickte auf sein Geschenk, das seit dem Vorabend ihren Ringfinger zierte. Ein Zwei-Karäter, schlicht in Weißgold gefasst. Alles hatte seinen Preis. Sie folgte ihm, er war kaum zu erkennen hinter seinem Bildschirm.
»Alfons, verzeih, ich hatte mich nur so auf die freien Tage mit dir gefreut.«
»Ja, ich auch. Aber der Markt schläft nicht. Wenn ich dieses Meeting versäume, dann fällt das nächste Geschenk für dich wesentlich schmaler aus, glaub mir. Ich muss mitnehmen, was ich kriegen kann, und in einigen Teilen der Welt feiert man eben nicht Weihnachten. So, und jetzt sei lieb und lass mich hier machen, ja?«
Louise zog sich zurück ins Wohnzimmer, schaute aus dem großen Fenster. Bei ihren Nachbarn frequentierte eine stattliche Zahl heimischer Vögel ein kleines Futterhaus. Das Paar war im Rentenalter und wirkte immer glücklich und zufrieden mit sich und der Welt. Wäre es doch schon so weit, dachte Louise manchmal, wenn Alfons im Ruhestand wäre, müsste er nicht ständig durch die Welt gondeln.
Bis dahin war noch viel Zeit. Was sollte sie nun mit dem morgigen Feiertag anfangen? Man konnte sich nicht einfach bei Freunden einladen an einem Tag, der für die Familie reserviert war. Jeder würde Gäste haben oder selbst eingeladen sein, es stünden Weihnachtstruthahn und Adventstorte auf den festlich geschmückten Tischen. Bei ihr brutzelte bereits ein Wildgulasch auf dem Herd, sie wollte handgemachte Semmelknödel, Williamsbirnenhälften mit Preiselbeeren und frisches Rotkraut dazu servieren.
»Wann musst du losfahren?«
»Was?«
»Wann du morgen starten willst, möchte ich wissen. Reicht es noch für das Mittagessen?«
»Nein, ich nehme die erste Maschine nach Frankfurt, ich werde von Wesel aus mit dem Zug zum Düsseldorfer Flughafen fahren. Kannst du mich zum Bahnhof bringen? Der Flieger geht um halb neun.«
»Wie toll«, dachte sie, »ich werde nicht einmal ausschlafen können, mein Mann wird
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