Die Spinne - Niederrhein-Krimi
führen. Over and out.
Der Mann auf dem Rücksitz nahm seine Sonnenbrille ab, die Härte seines
Blickes, der ihre Augen für einen Moment im Rückspiegel traf, ließ sie
unwillkürlich wieder nach vorn schauen. Der Rückstau des umgeleiteten Verkehrs
reichte bis zum ehemaligen Hotel Bürick an der B 58. Kommentarlos bog die
Fahrerin links ab und nutzte einen parallel laufenden Wirtschaftsweg, um an der
Schlange vorbei bis zur innerdörflichen Ampel zu gelangen, reihte sich dort
wieder in Fahrtrichtung Wesel ein. Mit diesem Fahrgast schien nicht gut
Kirschen essen zu sein, schätzte sie, Trinkgeld würde er auch nicht geben,
höchstens eine doppelte Quittung verlangen, eine für das Finanzamt und die
zweite für sein Ego.
Er betrachtete von Weitem die roten Litzenbündel und den Pylon der neuen
Rheinbrücke, richtete sich auf. Gestärkt und erholt wollte er sich seiner neuen
Aufgabe stellen. Es musste einfach klappen in der Klinik in der Aue. Die Mitte
der Fünfziger hatte er überschritten, und einzig und allein sein neuer, zweiter
Doktortitel hatte in der Bewerbung überzeugt. Jemand, der sich in dem Alter
noch spezialisiert, der musste geistig sehr rege und belastbar sein, man hatte
ihm Hochachtung entgegengebracht. Es war an der Zeit, hier endlich Fuß zu
fassen. Hier lagen seine Wurzeln. Zwei Doktortitel würden ihm auf Anhieb die
Mitgliedschaft in diversen Golfclubs ermöglichen und die Türen zu anderen
angesehenen Kreisen öffnen. Er hatte alles recherchiert, überließ nichts dem
Zufall.
Nur der Weg nach Wesel schien dieses Mal mit Hindernissen bespickt zu
sein. Ein Lkw hatte auf dem einzigen Zubringer zur Brücke einen Pkw gerammt, es
gab kein Fortkommen und keinen Ausweg. Er saß in diesem Bazillenbomber fest,
die Innentemperatur stieg, Schweißperlen bildeten sich auf seinem kahlen Schädel.
Die Fahrerin streifte ihn mit einem Blick in den Rückspiegel und bemerkte
die Nässe auf der Glatze. Sie ließ die Hände am Lenker. Sie würde die
Klimaanlage nicht einschalten, nicht für dieses Ekelpaket.
Der Mann schien sich zu verkrampfen, streckte die Finger in den dünnen
Stoffhandschuhen, die Hitze schien den Händen nicht zu bekommen. Er lupfte die
Ränder an den Innenseiten der Handgelenke und blies abwechselnd in den linken
und rechten Handschuh. Anscheinend brachte ihm das Erleichterung. Dennoch wurde
ihr Fahrgast zusehends unruhiger, öffnete das Fenster, setzte die Sonnenbrille
wieder auf und blickte auf die Platanenallee entlang der B 58 mitten in
Büderich.
»Wenn et juckt, gibbet Ärger«, hatte sein Vater immer gesagt. Als aufrechter
Mann hatte er stets gemeint, was er sagte, das konnte der Sohn heute noch
spüren.
Es würde wieder passieren. Es gab immer jemanden, der für den ganzen
Dreck bezahlen würde, einen, der verantwortlich war, der dafür büßen müsste,
dass es so war, wie es war.
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