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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Bettelkindern gesehen.
    Na gut, nicht alle ihre Kleider waren so abgetragen wie dieses hier. Nachdenklich bürstete ich mein Fell. Ja, es war noch immer matt und verfilzt, aber manche Löcher verschwanden allmählich, jetzt, seitdem ich genug zu futtern bekam. Ich selbst war aus Sturheit in die Lage geraten, dass meine Kinder und ich Hunger leiden mussten und mein Pelz struppig wurde.
    Altea hatte einen Gefährten verloren, aber das konnte nicht der Grund für ihre Armut sein. Die Gräfin war das Muttertier, und die schien irgendwas verkehrt gemacht zu haben.
    Seltsam, sie kam mir vor wie eine sanfte, manchmal ein bisschen kindische Frau, die Altea mit großer Liebe zugetan war. Sie hatte Angst vor der unfreundlichen Wirtin, ließ sich aber von Männern gerne Schmeicheleien sagen, klagte nicht sehr viel, sondern hatte eine heitere Art, ihr Schicksal anzunehmen. Das mochte aber mit ihrem nachgiebigen Gemüt zusammenhängen, weshalb ja auch Altea die Aufgabe übernommen hatte, für ihr Futter zu sorgen.
    Altea war stärker als Mama. Ganz gewiss war sie das. Aber sie trug so viel Unglück mit sich herum – und dieser steife Vincent machte es auch nicht besser. Es tat ihr noch immer weh, dass er ihre Zuneigung abgewiesen hatte. Romanow und ich hatten einander für eine Weile höchst anziehend gefunden, aber das verflog dann, nachdem ich meine Kinder empfangen hatte. Aber wir spielten uns nichts vor. Wir erkannten einander wieder, manchmal hielten wir sogar einen kleinen Schwatz an der Reviergrenze, und wenn mich im nächsten Jahr die Rolligkeit überkam, würde ich ohne Bedenken wieder ein paar wilde Nächte mit ihm verbringen.
    Schlurfende Schritte näherten sich der Bank, auf der wir saßen. Doch diesmal verbeugte sich der Mensch nicht elegant vor uns. Ein beleibter Parkwächter blieb grimmen Blickes vor uns stehen.
    » Verschwinde hier sofort, Lumpenpack!«, herrschte er Altea an.
    Sie erwachte und sah ihn verwirrt an.
    » Weg hier, Weib, oder ich hole die Polizei. Auf der Wandelbahn haben Bettler und Obdachlose nichts zu suchen!«
    Vorsichtig setzte Altea mich auf den Boden, griff zu ihrem Stock, erhob sich dann und maß den kleineren Offiziellen mit einem Blick, der wie eine Kralle durch Butter fuhr.
    Hoppla, da steckte aber Haltung und Würde in ihr.
    » Sie, Kerl, mäßigen Sie Ihre Worte. Es steht jedem Kurgast frei, auf diesen Bänken auszuruhen.«
    » Kurgast«, schnaubte er verächtlich.
    » Kurgast, Sie Flegel. Aber wenn Sie eine Beschwerde vorbringen wollen, dann richten Sie dem Kurkommissar doch aus, dass Sie es der Komtess von Lilienstern untersagt haben, sich mit ihrer wertvollen Rassekatze auf einer öffentlichen Parkbank auszuruhen. Wenn Sie weitere Auskünfte benötigen, sprechen Sie bitte im Haus Germania vor. Meine Mutter, die Gräfin von Lilienstern, wird Ihnen gewiss aufmerksam zuhören.«
    Er roch nach tödlicher Verlegenheit, und trotz der kühlen Brise stand dem kleinen, dicken Parkwächter der Schweiß auf der Stirn. Er stammelte Entschuldigungen und kam aus seinen demütigen Verbeugungen gar nicht mehr heraus.
    Wieder brachte Altea das Kunststück fertig, an ihrem Stock humpelnd an ihm vorbeizurauschen. Ich folgte selbstredend mit aufgerichteten Ohren und hochgerecktem Schwanz.
    Auch ich kann Haltung und Würde.
    Aber als wir uns dem Garten näherten, wurden Alteas Schritte langsamer und langsamer, und am Zaun blieb sie mit hängenden Schultern stehen.
    » Lumpenpack«, murmelte sie. » Lumpenpack.« Und dann fauchte sie plötzlich: » Das hat uns mein Vater eingebrockt.«
    Und mit einer Wut, deren Funken wie Blitze ringsum einschlugen, griff sie in die Streben des hölzernen Gartentörchens und zerbrach sie.
    » Oh Gott«, entfuhr es ihr, als sie auf die Splitter sah.
    Ich huschte durch den Salat und maunzte ihr zu.
    Sie trat über die Trümmer und sah sich um.
    » Das glaubt mir keiner.«
    Nein, das würde ihr keiner glauben.

Bouchons Wissen
    Ich war so erschöpft von der aufregenden Nacht, dass ich tief und fest schlief und weder bemerkte, wie meine Kinder ihr Futter bekamen, noch von ihren wilden Spielen geweckt wurde. Erst das Gezeter der Wirtin holte mich wieder aus meinen Träumen. Sie schimpfte über die Trunkenbolde, die nächtens umherzogen und die Gartentörchen rechtschaffener Leute zerstörten. Weder von Altea und Mama noch von Olga war eine Spur wahrzunehmen. Aber das Schälchen mit Futter – Bratwurststückchen – hatte sich eingefunden und war bis auf ein paar Wurstzipfel

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