Die Spionin im Kurbad
günstig.«
Wir blieben also auf dem Teppich sitzen, und als die Tür zufiel, berichtete ich Bouchon von meiner Begegnung mit Vincent und Olga in der Nacht.
» Ja, Vincent geht abends immer noch eine Weile nach draußen. Er braucht ja nicht so früh aufzustehen wie der Freiherr. Weil – der muss ja sein Wasser trinken und dann wandeln.«
» Was ist mit dieser Olga?«
» Keine Ahnung. Aber – Sina, Vincent war schon die ganze Zeit hinter diesem Bisconti her, das habe ich inzwischen herausgefunden.«
» Aha. Deshalb also hat ihn sein Tod so interessiert.«
» Richtig. Und darum vermutet er, dass man ihn umgebracht hat, denn der hat nämlich etwas ganz Unrechtes getan. Der Freiherr wurde richtig böse, als Vincent ihm endlich erzählt hat, warum er wirklich in Bad Ems ist.«
» Was hat Bisconti getan?«
» Seraphina, du kennst dich mit dem Leben aus.«
Das tat ich wohl.
» Und ich habe in dem Freiherrn einen Menschen, der sich mit dem Leben auskennt. Er hat ihre Historie studiert, und mit mir spricht er oft darüber.«
» Red nicht so um den Brei herum. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich.«
» Also gut. In diesem Krieg, der vor zwei Jahren begann, gab es Spione – Menschen, die den Feinden Informationen über das Vorgehen ihrer eigenen Leute weitergaben, sodass die anderen wussten, wo Angriffe erfolgten, oder wo schlecht gesicherte Stellungen waren. Bisconti war so ein Spion. Er hat an die Franzosen Nachrichten verkauft, die dazu führten, dass eine große Anzahl Menschen starben.«
» Ein Verräter.«
Verräter gab es unter Katzen selten. Aber auch das kam vor. Menschen betrieben Verrat jedoch häufiger – sie lockten sich gegenseitig in Fallen, um einen Vorteil davon zu haben, wenn ein anderer sich darin fing.
» Ein Verräter. Du verstehst das richtig.«
» Natürlich. Welchen Nutzen hatte Bisconti von dem Verrat?«
» Das Wesen des Geldes ist dir auch vertraut?«
» Sicher.«
Auch das brauchten wir Katzen nicht, aber Menschen waren ja auch nicht so autark und vielseitig wie wir Katzen, also mussten sie immer das, was sie selbst nicht konnten, aber brauchten, mit denjenigen tauschen, die in der Lage waren, es herzustellen oder zu leisten. Sie hatten als Tauschmittel das Geld erfunden. Eigentlich keine ganz schlechte Leistung von ihnen.
» Er hat die Nachrichten für Geld weitergegeben«, sagte Bouchon nun.
» Und Vincent hat das damals herausgefunden.«
» So ist es. Soweit ich es verstanden habe, war das seine Aufgabe. Aber dann ist Bisconti ihm entwischt.«
» Und hier hat er ihn wieder aufgestöbert und belauert.«
» Ganz genau. Er hat darauf gewartet, dass er eine falsche Bewegung macht. Aber dann hat ihm ein anderer die Beute abgejagt und ihn getötet. Darum will er jetzt wissen, wer und warum, und ob derjenige etwas mit dem Verrat von damals zu tun hatte.«
» Was verständlich macht, warum er sich den Anschein gibt, alles vergessen zu haben. Klug, dein steifer Vincent.«
Jagdgeschick wissen wir Katzen immer zu würdigen.
» Aber da ist ein Problem, Sina.«
» Eins? Ich habe den Eindruck, dass es unzählige gibt.«
» Schon, aber dieses eine betrifft deine Altea.«
» Oh. Erzähl!«
» Bisconti hat einst Unterlagen entwendet, die einem General Rothmaler gehörten. Die hatten etwas mit der Angriffstaktik der Preußen zu tun. Und deshalb konnten sie einen Zug überfallen und viel Schaden und Unglück anrichten.«
» General Rothmaler kommt heute hierher«, sagte ich, denn ich erinnerte mich, dass Altea von ihm gesprochen hatte.
» Tatsächlich? Warum? Auch wegen Bisconti?«
» Nein. Oder besser, ich weiß es nicht. Altea glaubt, er will ihre Mama besuchen.«
» Da steckt mehr dahinter. Weil – Vincent sagt, dass Altea vielleicht in diese Angelegenheit verstrickt war. Zusammen mit Bisconti. Sie sei mit dem Sohn des Generals verlobt gewesen und hätte so bestimmt Zugang zu den Unterlagen gehabt.«
Ich musste mich kräftig hinter den Ohren kratzen. Die Schlussfolgerung war nicht ohne Logik. Zumindest in den Augen des steifen Vincent.
» Ja, sie war mit Levin, dem Sohn des Generals, verlobt. Und Bisconti kannte sie auch. Aber dieser Levin war Arzt, und sie hat ihn in den Krieg begleitet, um den Verletzten zu helfen. Würde sie dann wirklich den Feinden verraten, wo man sie angreifen kann?«
Jetzt kratzte Bouchon sich mächtig hinter den Ohren.
» Nein. Wohl nicht. Und so ähnlich hat der Freiherr de Poncet auch argumentiert.«
» Menschen denken sich viel mit ihrem
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