Die Spionin im Kurbad
für die Unordnung verantwortlich machen, die ich hinterlassen hatte.
Im Garten tollten meine Kinder herum. Sie haschten einen Schmetterling, hatten ein Stiefmütterchen fachgerecht zerlegt, die Krallen an der morschen Schuppenwand geschärft und berichteten mir, dass sie sich in der Hecke hatten verstecken müssen, weil jemand das Gartentörchen gerichtet und dabei ziemlich viel Krach gemacht hatte.
Ich beschäftigte mich eine Weile mit ihnen, erteilte ihnen Lektionen im ordentlichen Putzen – nur so der Form halber, sie bekamen es schon ganz gut selbst hin –, und dann sah ich Altea mit ihrer Mama in den Garten kommen. Frisch und hübsch sahen sie beide aus. Ihre Haare glänzten, ihre Kleider wehten beschwingt um ihre Körper, und Altea roch so schön nach Flieder und Maiblumen.
Menschen bekommt Baden.
Das ist für sie wie Putzen und Bürsten.
Trotz ihrer feinen Aufmachung brachte Altea uns ein Schälchen Futter. Ich überließ es den Kleinen, denn ich war noch gut gesättigt von dem Ragout fin. Dennoch schloss ich mich Altea und Mama an, denn sie schlenderten zur Goldenen Traube hinüber, wo der Freiherr sie mit großer Geste zu einem weiß gedeckten Tisch führte. Mich sah er ein wenig kritisch an.
» Ich möchte mal wissen, Sina, wie du vorhin aus meinen Zimmern gekommen bist. Bouchon war ganz verwirrt.«
» Haben Sie sie etwa in das vornehme Kurhotel mitgenommen?«
» Es ergab sich so. Ich vermute, die sprichwörtliche kätzische Neugier trieb sie dazu. Ich finde es erheiternd, dass mein dicker, bequemer Stopfen eine solche Freundin gefunden hat. Er war immer ein sehr vorsichtiger Kater, aber hier entwickelt er geradezu Abenteuerlust.«
» Sie setzen sehr viel Vertrauen in ihn, Herr de Poncet«, meinte Mama. » Er könnte beschließen, ein Streuner zu werden.«
» Er hat es gut bei mir. Zu Hause darf er ebenfalls das Haus verlassen und hält sich immer in Rufweite auf.«
» Ich glaube auch, dass er bei Ihnen bleibt. Streunerkatzen haben ein hartes Leben. Sina hat sich zwar tapfer durchgeschlagen, aber eines ihrer Kinder hat sie verloren. Verhungert ist es, das arme Wurm.«
Altea langte unter den Tisch und fand zielgenau meinen Kopf. Sie kraulte mich, zog ihre Hand aber zurück, als der Kellner kam. Ich verzog mich unter die Volants ihrer Röcke.
Einbruch bei Olga
Man machte Konversation – kurz, man schwatzte belangloses Zeug über das Wetter, das Futter, das heilsame Wasser. Ich blendete es aus. Das Schöne an unseren Katzenohren ist, dass wir sie in jede beliebige Richtung drehen können – unabhängig voneinander. Und so belauschte ich die Gespräche der anderen Gäste, die sich um uns herum an den Tischen versammelt hatten. Und das war lehrreich.
So erregten sich vier Damen am Nachbartisch leise, aber genüsslich über den jüngsten Skandal. Da hatte eine junge Witwe hinter vorgehaltener Hand eine Warnung vor einem Heiratsschwindler verbreitet, der wohlhabenden, alleinstehenden Frauen die Ehe versprochen hatte, um sie um ihr Vermögen zu erleichtern. Dem betretenen Schweigen einer der Damen entnahm ich, dass sie ihm ebenfalls auf den Leim gegangen war. Die anderen echauffierten sich auf das Begeistertste. Und sie kamen auch recht hurtig zu dem Ergebnis, dass besagter Luigi der Tote in der Badewanne gewesen sein musste.
Erstaunlich, wie schnell sich Nachrichten auch unter Menschen verbreiteten.
Und erstaunlich, wie schnell sie mit weiteren Vermutungen bei der Hand waren. Keine von ihnen glaubte nun noch, dass Bisconti-Luigi eines natürlichen Todes gestorben sei. Wilde Spekulationen über Mörderin und Methode wurden erörtert. Vornehme Damen können eine ganz schön gewalttätige Phantasie entwickeln.
Herren eine ziemlich lüsterne. Die körperlichen Vorzüge etwa von Bette wurden an einem anderen Tisch eingehend diskutiert, und sie hatten wenig mit der heiligen Darstellung der Schönen zu tun. Sie schien mit ihren Reizen nicht zu geizen, sondern bot sie weiterhin freizügig an. Aber die Männer schienen ein wenig skeptisch zu sein, ob sie die Angebote wirklich annehmen sollten. Es war wohl so, dass unverheiratete Damen sich gerne in ein Kurbad begaben, um einen Versorger zu suchen, den sie dann auf hinterhältige Weise einfingen und lebenslang an sich fesselten.
Beziehungen zwischen Männchen und Weibchen bei der Menschenrasse gaben mir immer wieder Anlass zu erheiternden Betrachtungen. Sie haben selbstverständlich dieselben Bedürfnisse wie wir Katzen – sie begehrten einander, um
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