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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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natürlich auch. Eigentlich ging es ihn nichts an, welche Gründe eine Katze auf meiner Ebene des Seins bewogen, dieses oder jenes Leben zu wählen. Aber ich mochte ihn, den dicken Grauen. Er war klug auf seine Art und würde bald zu den Weisen aufsteigen.
    » Es gibt unserer vier«, begann ich also. » Es sind Nimoue die Gütige, Ormuz der Weise, Scaramouche der Verständige und mich.«
    Bouchon nickte bedächtig.
    » Dich, Seraphina die Barmherzige.«
    » So sagt man. Und der Beiname verpflichtet uns zum entsprechenden Handeln. Verpflichtung aber bedeutet Abhängigkeit, und Abhängigkeiten sind Fesseln.«
    » Aber euch Ehrwürdigste fesselt doch nichts mehr, Sina.«
    » Nein, uns fesselt nichts, außer unser eigener Wille. Wir sind frei, frei zu leben, frei zu wandern, frei zu sterben, zu verweilen oder zu gehen. Wir sind zum eigentlichen Wesen der Katzen geworden. Und darum legen wir uns gegenseitig Prüfungen auf. Nicht, dass Bestehen oder Nichtbestehen Konsequenzen hätte. Es geht nur um die eigene Ehre, das Rechtfertigen vor sich selbst.«
    » Schwierig.«
    Verdutzt sah ich Bouchon an. Er war sehr einfühlsam.
    » Ja, schwierig. Vor allem wenn man, wie ich, einen viel zu starken Willen hat.«
    » Du hast also das Leben als Streunerkatze gewählt, um deiner eigenen Barmherzigkeit zu entfliehen.«
    » Richtig. Ich wollte mich nur um mich selbst und meinen Nachwuchs kümmern. Ich wollte mir beweisen, dass ich ohne menschliche Hilfe ein langes, befriedigendes Leben führen kann.«
    » Das kannst du gewiss.«
    » Wie man sieht, kann ich es nicht. Wir wären fast verhungert, meine Kinder und ich, weil ich einen schlechten Platz für die Niederkunft gewählt hatte. Es mag hier ungestört und gemütlich sein, Bouchon. Aber als Jagdrevier für eine säugende Katze ist es nicht ergiebig genug. Ich hätte es bedenken sollen.«
    Sein Grummeln hörte sich wie ein leises Lachen an.
    Ich grollte.
    » Seraphina – ist es denn so schlimm, dass du dich und deine Kinder gerettet hast?«
    » Ich habe es getan und damit gegen meine Prinzipien verstoßen!«, fauchte ich. Es fuchste mich noch immer, dass ich den Versuchungen des Menschenfutters erlegen war. Das war so niedrig, so banal!
    » Außer dir macht dir niemand einen Vorwurf daraus. Am wenigsten ich.« Er drückte mir seine Nase in die Flanke. » Und Altea auch nicht.«
    » Das ist es ja – schon wieder folge ich meinem Beinamen. Wollte ich aber nicht.«
    » Du kannst einfach nicht unbarmherzig sein, was?«
    » Doch, kann ich. Wenn ich wen verteidigen oder beschützen muss. Wir können alle auch das Un… Du kannst dir nicht vorstellen, wie ungnädig Nimoue werden kann, mit welcher Ungerechtigkeit Scaramouche seinen Willen durchsetzen und wie ausgesucht albern Ormuz der Weise sich aufführen kann.«
    » Aber du kannst jenen, die deiner Hilfe bedürfen, nicht unbarmherzig den Rücken zukehren. Weshalb du mit dir haderst. Ich hätte das früher nicht verstanden, Sina. Aber inzwischen verstehe ich das ziemlich gut. Ich durfte mir ja in gewisser Weise mein Leben auch aussuchen, und ich Dummkopf habe immer das gleiche gewählt. Daraus entsteht Abhängigkeit, nicht wahr?«
    » Du lernst nur auf einem begrenzten Gebiet dazu. Richtig. Als Streuner wärst du völlig ungeeignet.«
    » Kann ja noch nicht mal auf Bäume klettern«, nuschelte er.
    » Na ja, so ein dicker Eichenstamm wird schon nicht umfallen, wenn du es mal versuchst.«
    » Soll ich?«
    » Anlauf und rauf.«
    Den dicken Stopfen laufen zu sehen war eine Pracht. Trockenes Laub wirbelte auf, als er sich zur Eiche pflügte und dann mit einem Satz eine halbe Katerlänge hochkam. Ja, ja, das leckere Ragout fin.
    Aber er übte. Und beim zehnten oder zwölften Mal hing er dann zwei Katerlängen über dem Boden, umarmte mit Vorder- und Hinterpfoten den Stamm und keuchte: » Und jetzt?«
    » Wofür hast du wohl Krallen?«
    Ich sprang und kletterte den Stamm hoch. War eigentlich ganz einfach.
    Wenn man schlank und rank war.
    Bouchon fiel leider wie ein Käfer auf den Rücken. Er war noch nicht mal hoch genug gekommen, um sich auf die Pfoten zu drehen.
    » Uh, ist das anstrengend!«
    » Am Anfang.«
    Ich hüpfte auf einen Ast und ließ mich dann fallen. Landete natürlich auf den Pfoten.
    Ich weiß, war Angeberei.
    » Komm, du hast dir eine Pause verdient.«
    Ich schlappte ihm über den Nacken, um den Schmutz zu entfernen. Als er sich einmal kräftig geschüttelt hatte, sah er wieder ganz manierlich aus.
    » Dieses graue Samtfell

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