Die Spionin im Kurbad
hat so seine Vorteile«, meinte ich.
» Ja, ist leicht sauber zu halten. Und dieser Farbton findet bei Menschen großen Gefallen. Erst vorhin hat mich eine fremde Dame darauf angesprochen.«
» Tja, Menschen lassen sich von so was beeindrucken. Mich nennen sie Kuh-Katze.«
» Wie hässlich.«
» Ich hab das Fell genommen, das übrig blieb. Gehörte auch zu meiner Entscheidung.«
» Nein, ich meine nicht, dass dein Fell hässlich ist, sondern die Bemerkung.«
» Schon gut. Hat sie dir was versprochen, die Dame? Leckerchen?«
» Nein. Nur … Sie sagt, sie hat auch so eine Graue. Eine Kätzin.«
» Oh, oh!«
» Nnnja. Ich meine … Weil, letztes Jahr, da durfte ich mal … War schon schön. Und der Freiherr hat gesagt, sie hat ganz niedliche graue Kinder …«
» Ah.«
» Hab ich aber nie gesehen.«
» Schade. Aber du wirst doch den Freiherrn nicht verlassen, nur weil eine fremde Dame eine Katzendame besitzt.«
» Nein, ganz bestimmt nicht. Aber vielleicht kann ich sie mal mit ihm bekannt machen. Die Mama deiner Altea kennt sie nämlich auch.«
» Ach was. Trug sie Blasslila?«
» Mhm – ja.«
» Madame Viola, sie besitzt fünf Katzen und kann mich nicht riechen.«
» Oh, dann will ich mit ihr auch nichts mehr zu tun haben!«
» Mach nicht solchen Wind darum.«
Ich ruckelte mich in der Kuhle zurecht, und der Stopfen stopfte sich neben mich.
» Ich habe etwas gehört heute, was Vincent betrifft. Der General, der Altea besucht, sagt, er ist arm dran. Der Freiherr ist aber ein reicher Mann.«
» Ja, ist er. Großes Haus, weiche Polster, schöne Teppiche, sehr gutes Futter.« Und dann sahen mich die goldenen Augen sinnend an. » Stimmt, er unterstützt seinen Neffen. Hat er so gesagt. Weil – der hatte einen älteren Bruder, der das Rittergut geerbt hat. Und dann hat er das heruntergewirtschaftet und ist bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Und weil das Gut nichts mehr abwarf – so drückte sich der Freiherr aus –, musste Vincent es veräußern, um die Schulden seines Bruders zu tilgen.«
Ich dachte kurz nach und übersetzte das Gehörte ins Kätzische.
» Der Bruder hat also im Revier alles gejagt, was ihm vor die Nase kam, und wenn man den Mäusenachwuchs frisst und alle Fische aus dem Teich holt, dann gibt es bald keine Beute mehr, und man muss sich ein neues Revier suchen. Gute Reviere aber werden immer gut bewacht, also bedeutet das, dass man entweder kämpfen oder verhungern muss.«
» Der Bruder starb.«
» Und Vincent kämpft.«
» Der Freiherr hat gesagt, dass er ihn zu seinem Erben einsetzt.«
» Dann bekommt er ein reiches Revier, wenn der Freiherr stirbt.«
» Ja, und jetzt schon eine Apanage. Aber erst, seit der Freiherr das alles weiß. Und er weiß es erst, seit er wieder in Deutschland ist. Er war nämlich ein paar Jahre in England. Vor meiner Zeit.«
» Dann muss der steife Vincent also jetzt nicht mehr hungern.«
» Nein, aber … du, Sina, ihr beide seid euch da irgendwie ähnlich.«
» Wie meinst du das?« Mit dem stöckerigen Neffen wollte ich mich nicht gerne gleichgesetzt sehen.
» Es gefällt ihm nicht, dass er von dem Freiherrn abhängig ist, genau wie es dir nicht gefällt, von einem Menschen abhängig zu sein.«
Patsch, das saß!
Ich schloss die Augen, um anzuzeigen, dass nun Ruhe zu herrschen hatte, aber vom Schlummer war ich weit entfernt. Die Erkenntnis war zu erschütternd, die Bouchon mir verpasst hatte. Ich musste alles noch einmal neu bedenken.
Vincent, der sich so steif gab, der seine Gefühle hinter einer ausdruckslosen Miene versteckte, hatte an einem ziemlichen Brocken zu knabbern, wie es schien. Freiwillig spielte er seine Rolle also nicht. Es passte dazu, dass er beispielsweise der Frau auf der Brücke gegenüber sehr hilfsbereit und verständnisvoll gewesen war. Es passte auch sein liebevolles Verhalten Bouchon gegenüber dazu. Vielleicht passte sogar seine kumpelhafte Art mit Olga dazu.
Das Steife und Gefühllose waren gespielt, ebenso wie sein Gedächtnisverlust und seine Schweigsamkeit.
Wie aber passte dann seine Unhöflichkeit gegenüber Altea in dieses Bild?
Die trockenen Blumen, die Briefe und die Photographie kamen mir in den Sinn.
Sollte er – aus welchen verschrobenen Gründen – sich ebenso sehr nach ihr sehnen, wie sie sich nach ihm sehnte?
Er hatte sie damals zurückgewiesen, hatte sie gesagt. Obwohl sie vermutet hatte, dass er sie mochte – ein tendre nannte sie es. Also eine gewisse Zuneigung für sie empfand.
Auch
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