Die Spionin im Kurbad
verloren.«
» Einem Hirnlosen traut man keine scharfen Beobachtungen zu.«
Pah, ich wenigstens hatte gleich gemerkt, dass er sehr genau beobachtete. Aber Katzensinne sind eben weit besser als Menschensinne.
» Kannte er Sie, Herr Major?«, fragte Mama.
» Ich weiß es nicht. Offiziell sind wir uns nie begegnet, aber er hat sicher auch seine Beobachtungen gemacht. Dass er mir ständig entwischen konnte, mag ein Zeichen dafür sein, dass er sich zumindest von jemandem beobachtet gefühlt hat – vielleicht von mir.«
» Hier aber hat er sich sicher gefühlt, scheint es.«
» Ja, das hat er. Aber sein Mörder war ihm auf den Fersen.«
» Womit bestritt er seinen Unterhalt? Als Handelsvertreter doch sicher nicht mehr.«
» Nein. Und hier stellen Sie eine gute Frage, Altea. Es hat mich einige Anstrengung gekostet herauszufinden, wie er sich finanziell über Wasser hielt. Natürlich haben wir zunächst sehr vorsichtig bei seinem einstigen Arbeitgeber nachgeforscht. Die Firma Duncker in Rathenow hatte er bereits vor dem Krieg verlassen. Sein Bruder hat eine eigene kleine Fertigung von optischen Linsen gegründet, für die er tätig war. Er nutzte dabei schamlos die Beziehungen, die er sich als Angestellter des großen Unternehmens geschaffen hatte. Aber hier bin ich dann auf eine ganz andere, äußerst pikante Tatsache gestoßen. Bisconti hatte auch schon früher seine Namen gewechselt. Und zwar, um jenen Damen zu entkommen, denen er Heiratsversprechen gemacht hatte.«
» Aber hoppla! Mama, gut, dass du dich nicht in ihn verguckt hast!«
» Er hat vor allem reiche, ledige oder verwitwete Damen umgarnt, sie um ihr Geld erleichtert und sich dann aus dem Staub gemacht. Auf diese Weise hat er auch in den letzten Monaten seinen Lebensstil gesichert.«
» Ein Heiratsschwindler. Na ja, da öffnet sich ja noch ein neues, weites Feld der Verdächtigungen.«
» Leider ja.«
Sie schwiegen jetzt, und ich hörte leises Gläserklirren.
Dann aber fragte Altea: » Und warum erzählen Sie uns das jetzt, Major? Warum die Kälte neulich, als wir uns begegneten?«
» So ist es recht, Fräulein Altea. Drücken Sie ihn unter den Stiefel und treten Sie ihn in den Dreck, das hat er verdient.«
» Mit dem Stiefelabsatz hast du schon dreimal auf meine Brust gestampft, Onkel Dorotheus.«
» Damenabsätze sind noch weit wirkungsvoller. Erklär es ihnen, sie haben ein Recht darauf.«
» Ja, haben sie. Ich war misstrauisch. Verzeihen Sie, Altea. Ich war misstrauisch. Ich sah Verbindungen, vermutete Bestechlichkeit. Und möglicherweise kalte Rachsucht.«
» Weil ich die Unterlagen von General Rothmaler an ihn weitergegeben haben könnte.«
» Ja, deswegen.«
» Na gut, wenigstens unterstellen Sie mir keine heimliche Affäre mit ihm.«
» Nein, die unterstelle ich Ihnen nicht.«
» … mehr …?«
Vincent stöhnte schmerzlich auf.
» Er ist ein Idiot, mein Neffe«, knurrte der Freiherr.
In Mamas Stimme schwang eine unerwartete Strenge mit, als sie wissen wollte: » Und was bewirkte Ihren Sinneswandel, Herr Major?«
» Ich habe … Erkundigungen über Altea eingezogen.«
» Oweh.«
» Verzeihen Sie, es war notwendig.«
Es herrschte ein langes Schweigen. Schließlich fragte Altea: » Und wie geht es jetzt weiter?«
» Ich versuche herauszufinden, wer Bisconti umgebracht hat. Es gibt mehrere Fährten.« Dann seufzte er wieder. » Sie sind alle recht nebulös.«
» Können wir Ihnen behilflich sein?«
» Ich glaube kaum. Es sei denn, Sie hören irgendetwas, das mit Bisconti oder seinen Machenschaften in Verbindung stehen könnte. Dann würde ich Sie bitten, es mir zu sagen.«
» Wir denken darüber nach, Mama, nicht wahr?«
» Ja, Altea, das tun wir. Und nun, meine Herren, ist es für mich an der Zeit, mein Wasser zu schlürfen. Wenngleich dieser Wein weit besser mundet.«
Man erhob sich und verließ den Garten. Ich schlich mich wieder hintenherum raus und kehrte zu meinem Revier zurück.
Mausen
Ich hatte viel zum Nachdenken in dieser Nacht. Es erschöpfte mich so sehr, dass ich bis in die Morgenstunden verschlief und nicht dazu kam, meinen Reviergang zu machen. Daher war ich zur Frühstückszeit noch im Garten und bekam mit, wie sich Viola, wieder in hellerem Violett, bei Olga beschwerte, dass ihr das Emser Wasser nicht bekam.
Nöle!
Olga war aber nicht sonderlich interessiert daran. Also zog die Violette bald allein ab.
Ich machte mich ebenfalls auf zur Promenade, in der Hoffnung, Bouchon zu treffen. Ich hatte
Weitere Kostenlose Bücher