Die Spitze des Eichbergs
Tribünenbesuchers, der vorzeitig das Stadion verließ. »Aufhören! Schiebung! Aufhören!«, reagierte ein Großteil des Publikums und Schalke-Anhangs schon lange vor dem Schlusspfiff und wähnte Verrat oder westfälische Nachbarschaftshilfe Schalkes für die Arminia.
1.000 MARK STRAFE
»Es ist einfach nicht zu glauben. Es ist nicht zu glauben!« Mit diesen Worten wandte sich Schalkes Vorsitzender Günter Siebert nach dem Spiel mit Grausen ab. Trainer Slobodan Cendic, der zwar schon gekündigt worden war, aber zwecks mangelnder Alternativen immer noch amtierte, wurde deutlicher: »Ich schäme mich vor dem Publikum. Jawohl, ich schäme mich. Aber die Spieler, die sich eigentlich schämen müssten, schämen sich nicht. Ich werde dem Vorstand vorschlagen, jeden Spieler, der nicht richtig gespielt hat, mit 1.000 Mark Strafe zu belegen. Die Mannschaft hat Lust, Form und Laune verloren, seit ihr der Vorstand meine vorsorgliche Kündigung mitgeteilt hat.«
Und weiter im »Sportbeobachter«: »Und sonst haben Sie nichts zu bieten, meine Herren in Königsblau? Dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die restlichen Heimspiele vor leeren Rängen stattfinden. Denn eine derartige Gurkerei wie gegen Arminia können Sie einem so sachverständigen und fußballverwöhnten Publikum wie in Schalke nicht verkaufen.«
In der Tat waren knapp 14.000 Zuschauer in der Glückauf-Kampfbahn ein alarmierendes Zeichen, und mit einem solchen AntiFußball gewann man bestimmt keine neuen hinzu. Auch die sonstige Presse sprach bereits von Schiebung, doch man wiegelte ab. Norbert Nigbur: »Profis verzichten doch nicht freiwillig auf eine Siegesprämie von 1.000 Mark. Das Geschwätz von einem verkauften Spiel ist Unsinn.«
KRISENSITZUNG
In den nächsten Tagen trommelte Günter Siebert die Spieler zu einer Krisensitzung zusammen und bläute ihnen das Ziel ein: »Erreichen des Pokal-Endspiels mit einem Sieg im Halbfinale gegen den 1. FC Köln und einen Platz in der Spitzengruppe der Bundesliga, Platz 2 bis 5, der die Teilnahme am neuen UEFA-Pokal garantiert.« Die Spieler nickten beifällig. Dabei war nicht festzustellen, ob auch Wittkamp, Senger, Wüst, Pirkner, Galbierz und Burdenski eine Stirnverbeugung machten. Denn sie gehörten zu denen, die sich verändern wollten und einen neuen Verein suchten. Wittkamp hatte unmittelbar vor der Sitzung gekündigt, sein Weg führte in der nächsten Saison nach Mönchengladbach. Galbierz hatte beim Wuppertaler SV angeheuert, Pirkner zog es ins Ausland und Burdenski sollte ausgerechnet zu Arminia Bielefeld wechseln.
Wortgewandt ins Chaos: Günter Siebert
Die Abgänge mussten kompensiert werden. Neben zahlreichen namenlosen, aber hoffnungsvollen Talenten wie Huhse, Hessling und Holz hatte Siebert noch zwei ganz heiße Eisen im Feuer. Die Verhandlungen mit den Zwillingen Erwin und Helmut Kremers von den Offenbacher Kickers liefen auf Hochtouren.
ES GEHT ABWÄRTS
Doch erst musste man unter schwierigen Umständen nach Kaiserslautern fahren. Wegen großer Verletzungssorgen bestand das Aufgebot von Schalke 04, das am 27. April von der Glückauf-Kampfbahn mit dem Omnibus im überraschenden Schneegestöber in Richtung Süden startete, nur aus 17 Spielern. Doch die wehrten sich tapfer auf dem Betzenberg, bewiesen ohne Zweifel guten Willen, sich nach der Blamage gegen Bielefeld zu rehabilitieren. Aber es blieb nur beim Willen, der nicht zum Zünden kam, weil es im Sturm nur Platzpatronen gab. Schalke verlor am Ende etwas unglücklich mit 2:0 (den zweiten Treffer erzielte übrigens Otto Rehagel mit einem umstrittenen Foulelfmeter) und war nun Fünfter in der Tabelle. Und Schalke verlor weiter. Zwar hieß der Gegner in der Glückauf-Kampfbahn Bayern München, Tabellenzweiter der Liga, doch so schwach hatte man die Bayern lange nicht gesehen. Aber Schalke war noch schlechter. Nach dem 1:0-Führungstreffer durch Klaus Fischer lieferte Schalke ein Dornröschenspiel und schlief vollends ein. Nigbur agierte in der Manier eines nervösen Anfängers, hatte seinen »Tag der offenen Tür« und ließ drei »Dinger« rein.
Nach dem Bayern-Spiel war von einer etwaigen Schiebung bei der Begegnung gegen Bielefeld keine Rede mehr. Alle dachten: »Die haben damals nicht absichtlich so mies gespielt, die sind wirklich so schlecht!« Jeder fragte sich, wie es sein konnte, dass Schalke Innerhalb von fünf Spieltagen vom möglichen Meisterschaftsanwärter zum willigen Punktelieferanten der Liga werden konnte. Immer mehr musste man
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