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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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ersten Pflock einschlagen
    Besprechungen und Verhandlungen sind Situationen, in denen es sehr wichtig sein kann, die eigene Stellung machtvoll zu demonstrierenoder Dominanz zu beweisen. Dabei stellt sich die Frage: Ist es günstiger, früh, gar als erster, das Wort zu ergreifen? Oder sollte man besser abwarten, die anderen machen lassen, um dann den krönenden Schlusspunkt zu setzen? Die Antwort lautet, dass beide Methoden zum Erfolg führen können, wenn sie entsprechend gehandhabt werden.
    Dabei scheint der Fall eigentlich klar zu sein: Wer sich als erster äußert, ist im Vorteil. Denn er schlägt gewissermaßen den ersten Pflock ein, von dem aus sich das weitere Gespräch entwickelt. Dieser Effekt ist vielfach wissenschaftlich nachgewiesen worden. Er wird mit dem Begriff „Anchoring“, also „Ankern“ bezeichnet: Die erste Zahl, die genannt wird, der erste Vorschlag, der unterbreitet wird, bildet den Ausgangspunkt und hat daher den stärksten Einfluss auf alle nachfolgenden Äußerungen. In aller Regel sind wir uns dessen nicht einmal bewusst, wie eine Reihe von verblüffenden Experimenten gezeigt hat.
    Wie die Versicherungsnummer die Preisvorstellungen beeinflusst
    Der Verhaltensökonom Daniel Ariely ließ seine Studenten die letzten beiden Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer aufschreiben. Anschließend sollten sie ihr Höchstgebot für eine Flasche Wein angeben, die zu ersteigern war. Das Ergebnis: Wer hohe Endziffern hatte (wie 98), war bereit, deutlich mehr Geld auszugeben als die Kommilitonen mit einer niedrigen Nummer: nämlich mehr als doppelt so viel!
    Dieses Phänomen betrifft auch Verhandlungen, worauf die Stanfordprofessorin Margaret Neale hingewiesen hat. Wer den ersten Pflock einschlägt, beeinflusst das spätere Ergebnis in erstaunlich hohem Maße. Das gilt sogar für Experten, die auf die Äußerungen von ahnungslosen Laien reagieren. Je nachdem, von welchem Startpunkt diese ausgegangen waren, kamen die Experten zu einem höheren oder niedrigeren Betrag. Besonders verstörend ist das Resultat einer Studie der Kölner Sozialpsychologen Birte Englich und Thomas Mussweiler: Danach ließen sich Richter bei der Bemessung des Strafmaßes durch willkürliche Empfehlungen beeinflussen, die von einem Studenten gemacht wurden (Erstsemester, Fachrichtung Informatik). Dessen Anregung übernahmen sie zwar nicht unbedingt, doch je nachdem, ob er ein hohes oder niedriges Strafmaß vorgeschlagen hatte, fiel ihr eigenes Urteil mehr oder weniger streng aus.
    Den Startpunkt bestimmen
    Es scheint also alles dafür zu sprechen, als erster seinen Vorschlag auf den Tisch zu legen, um möglichst viel durchzusetzen. Doch seltsam, häufig halten sich gerade die dominanten Charaktere zu Beginn betontzurück. Den Anfang machen eher Teilnehmer, die keinen hohen Status haben. Auf die näheren Gründe werden wir im Abschnitt über die Meetings und Sitzungen noch zu sprechen kommen (→ S. 80, „Dominanz bei Besprechungen“). Die Dramaturgie einer solchen Sitzung lässt ein möglichst spätes Eingreifen wirkungsvoller erscheinen.
    Und doch wäre es sehr ungünstig, den ersten Pflock von einem anderen einschlagen zu lassen, womöglich sogar noch von der Gegenseite. Die Devise heißt daher: Wo immer man seinen Einfluss geltend machen möchte, sorge man dafür, den Startpunkt festzulegen. Das kann durchaus bedeuten, sich als erster zu Wort zu melden oder die einleitenden Worte zu sprechen. Beliebt ist es, „erste Gedanken“ in den Raum zu stellen, um die Diskussion „anzustoßen“.
    Besser noch: Ein Verbündeter steigt stellvertretend als erster in den Ring, um den Startpunkt zu markieren. Auch wenn im Verlauf der nachfolgenden Diskussion der „erste Vorschlag“ in Grund und Boden geredet wird, so hat er doch seine Spuren hinterlassen. Daran kann man anknüpfen, wenn man gegen Ende in die Debatte eingreift, um als strahlender Sieger daraus hervorzugehen (→ S. 82, „Die Stärke der späten Einmischung“).
    Konkurrenten kleinreden und Verbündete loben
    Wann immer in größerer Runde über die Tätigkeit einzelner Mitarbeiter oder „des Teams“ gesprochen wird, schlägt die Stunde der Mikropolitik. Und damit auch der Dominanz. Wer bei Leistungsbeurteilungen als erster den Pflock eingeschlagen hat, bestimmt die Entwicklung des Gesprächs. Gewiefte Machtstrategen ziehen diese Wirkung durchaus mit ins Kalkül – zum Nutzen, aber auch zum Schaden von Kollegen und Mitarbeitern, je nachdem wie sie gerade ins

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