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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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alter Kumpel Horst biegt um die altbelaubte Rotbuchenhecke, die den Sichtschutz zum Zufahrtsweg bildet. In der Hand hält er ein Körbchen, aus dem die Schnappverschlüsse mehrerer brauner Flaschen lugen.
    «Carsten, alte Nacktschnecke. Was machst du vor der Tür? Wir haben gerade mal acht Grad.»
    «Sieh da, der Pferdeflüsterer. Und er hat was mitgebracht. Solltest du ein schlechtes Gewissen haben?»
    Horst Gerlach stoppt und schielt mit schiefem Grinsen zu Carsten hinüber.
    «Schlechtes Gewissen? Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben?»
    Carsten mustert ihn finster. Dann deutet er mit dem aufgestellten Daumen seiner linken Hand über die Schulter Richtung Hütte.
    «Darum.»
    «Darum? Wovon redest du? Doch nicht etwa von Helmut?»
    Carsten hebt die rechte Hand und dreht den Handteller zu sich, damit Horst einen Blick auf die blutige Kreuzschraffur werfen kann, die den gesamten Handrücken überzieht.
    «Was soll das», fragt er scheinheilig, «hast du Rosen geschnitten?»
    Carsten kämpft sichtlich mit seiner Contenance, aber die scharfe Erwiderung bleibt aus.
    «Helmut!»
    «Das war Helmut? Na ja, ich hab dich gewarnt. Hab es zumindest versucht.»
    «Wenn er das noch einmal macht, schneide ich ihm die Krallen mit der Heckenschere.»
    «Einer Katze die Krallen schneiden? Hör mal, Carsten, das ist unethisch.»
    «Ist mir egal.»
    «Ich würde auch aus anderen Gründen abraten. Helmut hat – wenn ich richtig informiert bin – so was wie … einen schwarzen Gürtel.»
    «Einen schwarzen Gürtel? Worin denn das? Kampffressen?» Carsten schüttelt müde den Kopf. Dann winkt er Horst an sich vorbei.
    «Du zuerst. Wenn jemand dran glauben muss, will ich, dass es dich zuerst trifft.»
    «Carsten, ich glaube, du bist überspannt.»
    Horst öffnet die Tür und betritt die Hütte. Carsten wartet einen Moment, bevor er ihm folgt. Als er das Quasi-Wohnzimmer seiner spartanischen Bude betritt, hat sein Kumpel bereits das erste Bier gestürzt.
    Auf Carstens Bett liegt – die mächtigen Hinterpfoten gegen die Decke gestreckt – der Kater in einem Meer von Papierfetzen, die augenscheinlich einmal der Bestellkatalog eines Tulpenzwiebelversandhandels waren, und schnarcht leise vor sich hin. Sein Bauch, eine Art fleckiger Flokati, den man über einen Fußball gespannt hat, bewegt sich gemächlich auf und ab. Die Augen sind geschlossen.
    «Helmut passt hervorragend zu dir», sagt Horst und nickt in Richtung des schlafenden Katers. «Er mag Blumen.»

ix Die Sache mit der Demokratie
    Demokratie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war – wenn sie es denn überhaupt jemals war. Seit den ersten Versuchen zur Zeit der antiken Attischen Demokratie hat es über die Jahrtausende immer mal wieder geklappt, allerdings nie lange. Kein Wunder. Schon Aristoteles hielt die Demokratie für eine entartete Verfassung, in der die Regierenden nur ihrem Eigennutz dienen, quasi eine Herrschaft der Faulen und Armen zulasten der Tüchtigen und Reichen. Eine Einstellung, die von den Reichen und Tüchtigen stets geteilt wurde, mit dem Unterschied, dass es einigen Reichen und Tüchtigen gelang, den Laden nach ihrem Gusto umzukrempeln, was in Teilbereichen leider zu einem gewissen Mangel an politischer Stabilität und häufig wechselnden Führungscliquen mit jeweils unterschiedlichen institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen führte. So etwas wiederum wirkte sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus, da Investoren – egal zu welcher Zeit, und ob aus dem In- oder Ausland – einen kalkulierbaren politischen Rahmen zu ihren Gunsten bevorzugen und deshalb zunehmend zu dem Schluss kamen, dass Demokratien für eine erfreuliche ökonomische Entwicklung eine doch eher unpassende Kulisse sind, und die sich deshalb etwas anderes suchten: eine smarte Diktatur mit Pseudowahlrecht beispielsweise. Opfer dieser nüchternen Abwägung von Staatsformen gegeneinander waren einige Vertreter der Europäischen Union und speziell Deutschland. Deshalb ist das ehemalige Wirtschaftswunderland zu dem geworden, was es jetzt ist: eine Mischung aus Lehrbauernhof und Vergnügungspark für chinesische Multimilliardäre.

x Die Sprengmeister sagen Hallo
    Im kleinen Besprechungsraum neben dem ausladenden Büro seines Chefs herrscht ein augenfreundliches Halbdunkel. Erkan Ederim schließt leise die Tür hinter sich und schleicht vorsichtig mit dem Rücken zur Wand an den Mitgliedern der bereits vollzählig versammelten Leitungskonferenz vorbei zu einem freien

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