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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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Personen, die je
einen Gulden zahlen, und vier Kindern, für die es einen halben Gulden gibt. Die
Preußen zahlen, ohne zu feilschen. Das ist ihr angenehmster Wesenszug.

    Ja, die Suppe! Die Preußen sind, scheint es, verrückt danach.
Immerzu kommen hohe Offiziere, Herren mit Perücken und Frauen mit samtenen Kleidern
zu Lisbeth ins Wirtshaus und rühmen ihre Suppe. Lisbeths Kartoffelsuppe, so
erzählen sie überall, würde beweisen, dass ihr König recht habe, dass die
Bauern vor allem Kartoffeln pflanzen und essen sollten, weil die nahrhaft seien
und schmackhaft dazu.
    Wie dumm sie sind, die Preußen! Wissen nicht, dass es an dem
Sellerie und dem Lauch liegt, dass die Suppe gut schmeckt. Und natürlich an dem
vielen Fleisch, das Lisbeth ausgebeint, gepökelt und getrocknet hat, um die
Brühe damit anzusetzen.

    Der Ochse war billig, sagt sie, wenn die Leute am Ort sie
fragen. Die Zigeuner hätten ihn ihr verkauft. Der sei alt gewesen und zu nichts
sonst zu gebrauchen. Immer müsse das Salzfleisch über Stunden in der heißen Brühe
liegen, damit es weich würde, erzählt sie. Dann müsse man die geriebenen
Kartoffeln dazugeben und das Suppengrün, zuletzt die Petersilie.

    »Mehr verrat ja nicht«, sagt die Mutter, als Lisbeth in
der Küche hockt und die Suppe vorbereitet. »Musst dein Rezept für dich
behalten, wenn du weiter Geld damit machen willst!«

    Lisbeth nickt. Nix sagen. Das hat sie beizeiten gelernt.
Sie zündet für die Mutter die neue Gasleuchte an, die sie einem Klever Händler
abgekauft hat. Die flackert so hell, dass alle Spinnen und Silberfische wie
aufgescheucht in den Bodenritzen verschwinden. Die Mutter setzt sich zu Lisbeth
an den Tisch und häkelt an einem Topflappen.

    »Was willst machen mit der kleinen Hannegret?«

    »Mal sehen«, sagt Lisbeth und lächelt vor sich hin. »Vielleicht
ist sie ja groß genug, um mir zu helfen. Aber so ein liebes Mädken um mich herum
wär mir sowieso recht.«

    »Eins, wie du warst. Du warst immer so herzig!«

    »Jetzt nicht mehr.«

    »Man kann nicht sein Leben lang herzig sein. Sie lassen
einen ja nicht.«

    »Stimmt«, sagt Lisbeth und zuckt die Achseln. »Es kommt,
wie es kommt.«

    »Und schlecht ist es ja nicht, seit der Kreutzer weg ist.«

    »Der kommt irgendwann wieder, kann jeden Moment durch die
Tür fallen!« Lisbeth schluckt die Angst hinunter, die ihr aus dem Bauch
krauchen will. »Aber vielleicht lässt er mich ja in Ruh. Hab viele Gäste jetzt
und bald auch ein kleines Mädken. Da muss er Ruhe geben. Sich eine andere suchen.«

    »Oder er greift sich das Mädken.«

    Lisbeth wird heiß vor Wut bei dem bloßen Gedanken. »Dann
zeig ich ihn an! Und sie sperren ihn ein. Denn das dulden sie nicht, die
Preußen. So einen bestrafen sie streng. Die Kinder sind dem Preußenkönig
heilig, alle Kinder. Sogar die von den Zigeunern. Da wird er auch ein verwaistes
Handwerkerkind aus Krefeld schützen, wo es doch heißt, dass der König seine
Socken immer nur aus der Krefelder Seidenmanufaktur bezieht. – Socken aus
Seide, wie muss das guttun an den Füßen, Mutter!«

    Lisbeth schaut aus dem Fenster. Silbrige Sonnenstrahlen
splittern aus mausgrauen Wolken. Ein Bauer treibt seinen Ochsen hinaus aufs
Feld, schleppt einen kümmerlichen Pflug mit sich.

    »Der arme Tropf da ist froh, wenn er noch ein einziges
Paar Wollsocken ohne Löcher hat, wie du«, sagt die Mutter, lässt Topflappen und
Häkelnadel fallen, zieht einen langen grauen Strumpf samt Stricknadeln aus
ihrem Schoß. Immer hat sie Lisbeth gelehrt, in der Not an die zu denken, denen
es noch schlechter geht. Dann würde der liebe Gott einen rasch trösten.

    Lisbeth betrachtet die emsig strickende Mutter, spürt das
Kratzen und Scheuern von verfilzter Wolle an den Füßen. »Trotzdem, Mutter,
stell’s dir einfach mal vor: Socken aus Seide! Es werden noch einige Preußen
meine Suppe fressen müssen, bis ich mir Socken aus Seide leisten kann.«

    Draußen nähert sich ein Fuhrwerk. Ein Bauer im Fellmantel
sitzt auf dem Kutschbock, vor ihm zwei Ochsen im Joch, hinter ihm ein
Leiterwagen voller Stroh. Am Abzweig zum Wirtshaus springt jemand von seinem
Wagen herunter. Ein weißer Rock, ein weißer Schopf – der Müller! Winkt dem
Bauern zum Dank und klopft seine Hose sauber, rafft einen Sack auf, der ihm
beim Sprung entfallen ist, und kommt aufs Wirtshaus zugelaufen.

    Lisbeth seufzt. »Was will der denn hier?«

    »Hat auch ein Aug auf dich«, sagt die Mutter trocken.

    »Glaub ich nicht. Wie der

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