Die Spucke des Teufels
entgegen,
die Ketten um seine Füße schlurren über den Fliesenboden.
»Haaalt!«, brüllt die Laffbacke. »Die Kette bleibt da!«
Willem nimmt allen Mut zusammen. »Hast nicht noch was
dabeigehabt? Ein Bündel vielleicht?«
Vincent nickt wieder, hilft der Laffbacke, die Ketten von
seinen Füßen zu pfriemeln.
»GE/19/1756«, murmelt das Männlein im Beichtstuhl, rappelt
sich auf und zieht eine Schublade aus dem rückwärtigen Holzregal. Mit spitzen
Fingern greift es hinein, sortiert ein paar Gegenstände sorgfältig
nebeneinander auf das Pult: einen Hornkamm mit zehn Zinken, ein Sacktuch aus
Nessel, verschmutzt, ein Stück Zwirn, einen hölzernen Rührlöffel, einen Bleistift
mit winzigem Spitzmesser und zuletzt – die Kladde.
Willem stockt der Atem. Die Kladde ist offen. Eine
Schnur, die das Papier zusammenhält, hängt in Kringeln herunter. Jost hat also recht,
sie können nicht lesen. Doch dann greift das Männlein zu einem vorgedruckten
Papier, auf dem fein säuberlich alle Habseligkeiten Vincents mit Tinte
aufgeschrieben sind. Willem muss unterzeichnen, dass er alles bekommen hat.
Dann muss er noch unterschreiben, dass ein Bub namens Franz Müller sein Neffe
ist, für den er sich hiermit verbürgt.
Und dass der Bub für sein Schweigen bei der Gendarmerie und
für seine Gefräßigkeit jeweils eine Ohrfeige extra vom Willem bekommt, das muss
er dem Männlein auch zusichern. Damit sind sie entlassen. Willem nimmt Vincent sanft
in den Schwitzkasten, deutet ein paar Tritte gegen sein Schienbein an, humpelt
mit ihm hinaus, humpelt wortlos mit ihm durchs Stadttor und zum Planwagen unter
den Weiden.
Jost streckt den Kopf heraus und grinst. »Hab ich’s nicht
gesagt!«
Kaum unter die Plane gekrochen, weint der Vincent Freudentränen.
Willem tätschelt ihm die eingesunkenen Backen. »Das sind die Ohrfeigen, die ich
dir geben soll.«
Vincent fällt ihm stumm um den Hals, dann der Lisbeth,
die still dasitzt und den Blick zum Planwagendach richtet, als könnte sie’s
nicht glauben.
»Hüaaaaah!«, jubelt Jost und sein Gaul bringt alle zum
Wirtshaus, wo Lisbeth unter tätiger Mithilfe von Vincent einen schnellen
Griesbrei mit Äpfeln kocht.
Griesbrei mit Apfelkompott (für 5 Personen)
Gebe fünf Tassen feinen Dinkelgrieß in vier Tassen erhitzte
Milch und lasse beides unter Rühren einmal kurz aufkochen. Nimm sogleich den
Topf vom Herd und lasse den Gries eine Viertelstunde in der heißen Milch zusammen
mit vier Esslöffeln Honig stehen. Rühre immer wieder um und lege einen Deckel
auf den Topf. Schäle unterdessen vier Äpfel und schneide sie in kleine Stücke,
gebe eine Handvoll Rosinen dazu und erhitze beides auf dem Herd, bis die
Apfelstücke zerfallen, würze mit Zimt und Honig. Gebe zuletzt eine Tasse Quark
zu dem etwas abgekühlten Gries, rühre kräftig um. Serviere den Gries in flachen
Tellern unter einer Haube aus Apfelkompott. Dieses Gericht kannst du kalt oder
auch warm verzehren.
Aus Franz Vincent Müllers Kochbrevier Die gute
Volksküche, erschienen zu Hamburg im Jahre 1802
Der Bub schaufelt eine doppelte Portion in sich
hinein, trinkt ein ganzes Maß gezuckertes Bier dazu, erzählt und erzählt, will
sich über seinen neuen Namen kaputtlachen: Franz Vincent Müller. Dazu schreibt
ihm der Jost eine Urkunde mit richtiger Tinte auf Papier, malt eine Unterschrift
darunter und setzt einen Stempel drauf.
»Das ist ein amtlicher Stempel der Stadt Trier«, sagt
Jost ernst. Den Stempel hat er vor vielen Jahren einem Ganoven aus Krefeld
gegen einen falschen Schnurrbart abgehandelt. Wusste wohl, dass er ihn irgendwann
würde brauchen können.
Beim Stichwort Krefeld wird der Bub wieder traurig. Er
will zur Hannegret. Weil er auf sie aufpassen muss.
»Wir holen sie dir her«, verspricht Jost. »Mit so einem
Stempel lässt sich viel erreichen!«
Der frischgebackene Franz Vincent Müller hat daran keinen
Zweifel, lässt sich von Lisbeth in eine der oberen Kammern betten und schläft
ein.
Darauf hat Willem gewartet. »Wenn ich jetzt sein Onkel
und Schutzbefohlener bin, dann muss ich auch nachsehen, was er sich immer so aufschreibt.«
»Bestimmt ist ihm das nicht recht!«, sagt Lisbeth erschrocken,
greift nach der Kladde und drückt sie fest an sich.
»Komm, Lisbeth, gib sie her! Wenn was über dich drinsteht,
müssen wir die Seiten rausreißen. Er wird das verstehen. Er ist ein kluges
Kerlchen, hat bei den Geldernern kein Wort geredet. Auch nicht, als sie ihm
Schläge
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