Die Spucke des Teufels
angedroht haben.«
Lisbeth schüttelt stumm den Kopf, krallt ihre Finger ins
Papier.
»Was da drinsteht, kann auch dem Willem Schwierigkeiten
machen«, sagt Jost und zieht ihr die in zwei Pappdeckel eingefassten Blätter
mit sanfter Gewalt aus dem Schoß.
Lisbeth seufzt, hält sich beide Hände vors Gesicht, doch
Jost schlägt ungerührt die Kladde auf, blättert darin. Fährt mit dem Finger
langsam über die Seiten, macht dazu Mundbewegungen, reißt die Augenbrauen in
die Höhe und lacht laut auf, blättert weiter, lacht noch lauter.
Da hält es Willem nicht mehr aus, rutscht an Josts Seite,
steckt den Kopf mit ins Papier, prustet vor Vergnügen und liest vor: »Rosinenbrot.
Nehme frisch gemahlenen Weizen, siebe die grobe Kleie ab, gieße Milch dazu –
knete den Teig gut durch und lasse ihn an einem kühlen Ort … – Unglaublich!
Ganz genau hat er aufgeschrieben, wie Rosinenkuchen geht. Oder hier: Steckrübeneintopf.
Lisbeth, ich glaub, das ist von dir! Schneide drei Pfund Steckrüben und ebenso
viel Möhren in Stücke, gebe sie mit einem kleinen Strunk Lauch in siedendes
Salzwasser … – Das sind Kochrezepte, Lisbeth! Alles Kochrezepte!«
15 Jost
Aus den Aufzeichnungen eines unbekannten fahrenden Gauklers,
gefunden 1910 in den unterirdischen Gängen einer Ruine bei Xanten, Entstehen geschätzt
auf Mitte des 18. Jh. irgendwo im deutschen Sprachraum.
Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es
auch hieße, würde lieblich duften. Diese vortreffliche Weisheit stammt von
einem Dichter aus England, einem gewissen Shakespeare, der, obgleich tot und
begraben, in deutschen Landen sehr in Mode ist, seit die Gelehrtenwelt befunden
hat, dass er seiner Zeit voraus und ein Aufklärer gewesen sei, was immer das
heißen mag, denn was sich hierzulande Aufklärer nennt, ist fast immer ein
Schaumschläger und Hundsfott. Woraus man ersieht, dass auch die edelsten Rosen
nicht sicher sein können, unter anderem Namen – wie beispielsweise Pissnelke –
gepriesen zu werden, wenn es deren Bewunderern so gefällt, da mögen sie duften,
wie sie wollen, es wird ihnen nichts fruchten.
Also habe ich beschlossen, jenem Dichter aus England
nachzueifern, da er wie ich lange umherreiste, mal als Gaukler, mal als Schausteller,
bevor es ihm vergönnt war, mit der hohen Kunst des Verseschmiedens seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten, und so soll er mir Vorbild sein, zumal auch er
in unsicheren Zeiten unter wechselndem oder auch ohne jeglichen Namen seine
Kunstwerke schuf, als da sind Komödien wie Tragödien wie zotige Sprüche.
Wenn ich meinem Fahrtenbuch nicht nur den eigenen Namen
verschweig, sondern auch jene meiner Verwandten und Wahlverwandten, so ist es
mir freilich nicht nur um die Nähe mit jenem englischen Dichter zu tun, sondern
um den handfesten Grund, dass ich dieser Tage, Gott sei es geklagt, Dinge tue,
welche zwar nicht verwerflich, wohl aber strafbar sind nach Maßgabe des hohen
Rates dieser Stadt und mich für einige Jahre hinter Gitter bringen könnten und
meine Auftraggeber desgleichen, wenn nicht aufs Schafott.
Nein, mich rührt kein schlechtes Gewissen dabei an, denn
es ist keineswegs Sünde, was ich tue, und beim Sündigen kenn ich mich vortrefflich
aus. Nein, es wär Sünde, nicht zu tun, was ich tue, obgleich es strafbar ist.
Vielleicht vermögen einfältige Geister, welche diese Zeilen durch bedauerliche
Umstände zu lesen bekommen, den Sinn meiner Ausführung nicht begreifen, zumal
die meisten Amtspersonen dieser Region einfältigen Geistes sind. Doch so diese
Blätter eines fernen Tages einem weisen Menschen in die Hände fallen, so mög er
selbst urteilen, ob ich denn einen Frevel begangen oder aber einen weit übleren
Frevel bereinigt habe.
In unerlaubter Mission hab ich ein Mädchen, nicht größer
als zwei Ellen und nicht älter als fünf Lenze, welches aus solider Handwerkerfamilie
ist, aber verwaist, aus einem Freudenhaus jenseits der Landesgrenze geholt, wo
es nebst anderen Frauen und Mädchen in unsäglicher Umgebung zahlenden Gästen
zur Unterhaltung nach Belieben überlassen wurd, was keinem menschlich
gesonnenen Wesen egal sein kann, selbst wenn er selbst ein häufiger Gast in
Freudenhäusern sein mag. Doch wenn eine Dirne es freiwillig beschließt, ihren
Leib darzubieten, so ist dies eines, wenn ein Kind gezwungen wird, dies zu tun,
dann ein anderes. Ich bin ohnedies beschämt, da ich nur eines dieser Mädchen
habe retten können, weil mir dazu der Verhandlungsauftrag
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