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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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dass sie lieber unter sich seien, Fremden mit Scheu begegnen. Doch sind
Entsandte ihres Preußenkönigs Fremde? Ist nicht Wesel seit mehr als zwei
Jahrhunderten ebenso preußisch wie Brandenburg? Mag sein, dass das gemeine Volk
lange unter der Willkür mancher Militärs zu leiden hatte, ohnmächtig mit
ansehen musste, wie Vorräte geplündert, Eigentum geraubt, Eheweiber und Töchter
missbraucht wurden. Doch das alles ist längst Vergangenheit. Se. Majestät
Friedrich II., der großherzige, weise König, hat Plünderungen, Raub und
Vergewaltigung strikt untersagt. Es mag ein paar Jahre gedauert haben, bis sich
die Instruktionen in allen Provinzen herumgesprochen haben, doch seit fast
einem Dezennium ist gewiss kaum etwas vorgefallen. Wenn doch, dann wurden die
Delinquenten mit Gefängnis betraft, die Opfer entschädigt.

    Und nun schickt Se. Majestät den Weselern ein Geschenk:
Tartoffeln für eine neue Saat. Gewiss genug, dass sogar einige Knollen für die
dringendste Not abfallen. Geht nicht ausgangs des Winters in vielen Küchen das
Getreide zur Neige? Ist von Mehlwürmern zerfressen? Froh dürfte mancher sein,
der einen Beutel voller Tartoffeln für sich, sein Weib und seine Kinder abbekommt!
Was will es also noch, das Volk? Einen milderen und gütigeren Herrscher hatte
es nie!

    Die Dragoner sind, ohne das Kommando abzuwarten, von
ihren Pferden gestiegen, lehnen sich an die sonnenbeschienene Stadtmauer.
Manche fläzen sich im Gras und strecken die Beine von sich. Ist da Hohn in
ihren Mienen?

    Von Wolzogen besinnt sich, sitzt wieder auf. »Wir reiten
ohne Eskorte die Hauptstraße hinunter, so gelangen wir gewiss zum Rathaus«,
ruft er dem Major zu. »Dort laden wir die Säcke vor den Türen ab. Mögen die
Herren Stadträte selbst das Vivendi beschließen und durchführen.«

    »Aufgesessen!«, brüllt der Major, ordnet an, wie die Karren
mit den Tartoffeln zu eskortieren seien – mit einer Viererreihe voran,
Zweierreihen zwischen den Wagen und im Gefolge. Vornweg marschiert ein
Trommler, um den Weg frei zu machen, was indes nicht nötig ist, denn die
Straßen im Innern der Stadt sind ebenso leer gefegt wie jene nahe entlang der
Wallanlagen.

    »Gräme dich nicht, lieber Giselher«, brummt der Major. »Wir
werden die Weseler lehren, eine Entsendung seiner Majestät dergestalt zu ignorieren
…«

    Da saust der erste Stein heran. Von Wolzogen hört ihn
durch die Luft pfeifen, lenkt seinen Rappen scharf nach rechts, hat Glück, wird
nur an der Ohrkuppe gestreift. Ein weiterer Stein prallt an seiner Schultertresse
ab, der nächste trifft sein Pferd, das sich aufbäumt, ihn abwirft. Noch im
Fallen erhascht von Wolzogen einen Blick auf ein paar davonrennende Hosenbeine,
die von den Türen der Häuser rechts und links der Hauptstraße verschluckt
werden. Ein dumpfer Schmerz meldet sich im linken Fuß, strömt bis in den
Rücken. Stiefel und Pferdehufe scheinen sich umeinanderzudrehen, Peitschen
knallen, Türen bersten, Fensterscheiben klirren, Weiber und Kinder kreischen,
mittendrin ein Wagen mit Saatkartoffeln, die weißen Wimpel sind beschmutzt. Von
Wolzogen wird ohnmächtig.

     
    »Wir haben alle verhaftet, mein lieber Neffe.
Alle!«
    Die schmalen Lippen des Majors reißen mit jeder Silbe auf
wie Bohnenschoten in der Sonne. Von Wolzogens eigener Leib aber scheint wie auf
Meereswellen unter blauem Himmel dahinzuschaukeln, der umfangreich verbundene
linke Fuß schaukelt als weiße Boje auf und nieder.

    »Zuuuuu-gleich!«, kreischt jemand.

    Die Meereswellen schwappen um von Wolzogens Leib, die
weiße Boje schießt mit Pfeilen mitten in seinen Kopf. Doch da weicht das Meer auch
schon zurück und die Pritsche schlägt hart auf den Fliesen des Weseler Spitals
auf. Eine Bretterwand aus rohem Holz umgibt von Wolzogen und ein Geruch nach
Stroh macht sich breit.
    Die Bohnenschoten sind geblieben. »Ich werd die Kerls
auspeitschen lassen. Die werden ihr Lebtag nicht mehr aufrecht gehen können!
Verlass dich drauf, lieber Giselher!«

    »Nicht doch«, presst von Wolzogen heraus. Der Fuß schmerzt
bei jeder Bewegung. »Das waren nur dumme Jungs! Für die reichen ein paar Tage
Kerker.«

    »Und unsere verletzten, gedemütigten Dragoner dürfen sich
an den Bauern schadlos halten. Was immer die mit denen machen, ich werd’s
decken!«

    »Die Bauern müssen wohlauf bleiben – damit die Kartoffeln
in die Erde kommen«, sagt von Wolzogen und versucht ein Lächeln. »Oder meint
Ihr, wir könnten das selbst erledigen?«

    Sein

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