Die Spucke des Teufels
auf seinem
Stuhl herum. »Wie gesagt, es geht darum, das Verhältnis in geordnete Bahnen zu
lenken.«
Lisbeth fährt zusammen. Woher wissen die, dass das
Hannken ein Waisenkind ist? Heiliger Siegfried, steh mir bei, der Feind ist
nicht dumm!
»Gewiss«, sagt Lisbeth und beeilt sich zu erklären, dass
sie Hannegret gern an Kindes statt annehmen wolle und bereits eine Eingabe bei
der Kreismeisterei vorbereitet …
»Nicht doch«, hebt der Neffe an, und auch der Kreutzer
fällt ihr ins Wort.
»Ein geisteskrankes Kind«, spricht er und spitzt sein
Froschmaul, dass ein winziges Stückchen Oberlippe erkennbar wird, »sollte
lieber in einem Spital unterkommen und somit der Obhut barmherziger Schwestern
unterliegen, damit es sich nicht zu einer Gefahr für die Allgemeinheit
auswächst.«
Lisbeth schießt alles Blut in den Kopf. Plötzlich kann
sie reden, ohne Unterlass. »Das Kind ist nicht geisteskrank«, sagt sie, »nur
durch erlittene Trauer ein wenig verwirrt, was sich gewiss bald ändern wird. Es
ist ein artiges und gescheites Kind, das rasch lernt. Höchstens ein Jahr, dann
kann es mir bei meinen Verrichtungen helfen.«
Die Augen des Feindes beginnen zu zucken. Er empfiehlt
seinem lieben Onkel noch einen dritten Teller Kartoffelsuppe. Der nickt und
ordert bei Lisbeth außerdem zwei weitere Glas Bier, zieht eine Flasche Wermut
aus seinem Beutel und nimmt einen Schluck und dann noch einen. Auch sein lieber
Neffe darf mal kosten.
Lisbeth ist erleichtert, springt auf, serviert neue
Suppe, weiteres Bier, will sich gar nicht wieder hinsetzen.
Doch der Feind bedeutet ihr eindringlich, ihm gegenüber
Platz zu nehmen. Und Lisbeth gehorcht. Was auch sonst?
Er habe ein ganz anderes Sujet ansprechen wollen, sagt
der Feind, nämlich die Verehelichung.
Das Wort hallt in Lisbeths Ohren nach wie ein vielfaches
Echo. Währenddessen spricht der Feind weiter. Das Trauerjahr – nun ja –, das
einzuhalten sei am Niederrhein wohl üblich, doch nichts spreche gegen eine
offizielle Verlobung, sodass Lisbeth nicht von all den Menschen hiesigenorts
scheel angesehen werde, wenn Herr Major Kreutzer in Kürze in den Gasthof zur
Logis einziehe.
Lisbeth ringt nach Luft. Das Hannken plappert leise auf
seine Puppen ein, mahnt sie, nicht zu schreien. Keinesfalls zu schreien.
Da Herr Major Kreutzer sich zunächst aus seiner bestehenden
Ehe zu lösen habe, werde man ohnehin mit der Hochzeit noch warten müssen,
erklärt der Feind. Doch Lisbeth könne ganz beruhigt sein, selbige Ehe bestehe
nur noch auf dem Papier und werde gewiss rasch annulliert. Oder geschieden,
wenn sie dieses besser verstehe.
»Ich will nicht heiraten!«, platzt es aus Lisbeth heraus.
»Niemanden!«
Der ohnehin etwas blasse von Wolzogen wird kreidebleich,
dem Kreutzer wird das feiste Gesicht hingegen so rot wie eine Bete. Beide
genehmigen sich einen weiteren Schluck aus der mitgebrachten Wermutflasche,
dann kippen sie ihr Bier und werfen einander einen beredten Blick zu.
Sie werde in jedem Fall heiraten müssen, erklärt der
Feind mit gütiger Miene. Die Gepflogenheiten am Niederrhein sähen nicht vor,
dass eine Frau auf Dauer einen Gasthof allein führe.
»Aber die Gesetze sagen, dass ich es darf. Wenn ich genug
Gäste habe und von meinem Einkommen leben kann, muss ich nicht heiraten«,
widerspricht Lisbeth schnell. »Und das sind preußische Gesetze. Die gelten mehr
als die Bräuche am Niederrhein!«
Das Froschmaul schäumt vor Wut. »Das Wirtshaus, Liebling«,
zischt es, »floriert, weil ich meinen ganzen Einfluss geltend mache. Weil ich
dir die preußischen Gäste vermittle. Weil ich dir eine Schanklizenz besorgt
habe – du solltest mir dankbar sein!«
Der Feind tätschelt dem Kreutzer den Arm. »Liebe Frau«,
trägt er mit belegter Stimme vor, »eine Ehe mit dem Herrn Major ist ja nun
gewiss nicht von Nachteil!« Es sei doch möglich, führt er aus, dass Lisbeth das
Wirtshaus nach eigenem Gutdünken weiterführe. Der Herr Major Kreutzer habe ja
nun selbst seine Beschäftigung und sein Auskommen, werde ihr keinesfalls
dreinreden. Es sei aber nun einmal nicht recht, das Liebesverhältnis vor Gott
und den Menschen zu verheimlichen.
Liebesverhältnis? Hat er Liebesverhältnis gesagt? Lisbeth starrt dem Feind ins Gesicht. Der nickt begütigend. Hat wie der
Kreutzer einen Wurm im Gewissen. – Oder? Nein, er meint nicht, was er sagt.
Seine Augen blinzeln, zucken. Er senkt den Blick. Er schämt sich!
Tod und Verderben den Preußen!, wispert der
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