Die Spucke des Teufels
heilige
Siegfried in Lisbeths Ohr. Da erinnert sie sich an die vielen Kartoffeltriebe,
die sie fein zerrieben an die Suppe gerührt hat, an die Hundspetersilie, die
sie rasch noch aus dem Gartenbeet geholt und appetitlich klein geschnitten über
die Teller gestreut hat.
»Nun denn, wenn es so ist«, sagt Lisbeth und lächelt.
Die Männer frohlocken, nicken einander zu, ordern noch
mehr von der Suppe, die Lisbeth ihnen gern serviert, saufen ihre Flasche Wermut
leer, ehe sie auf ihren Gäulen davonschaukeln.
Lisbeth atmet auf. Wenn sie nicht schon heute Nacht krepieren,
dann gewiss ein andermal. Jedenfalls noch vor dem Hochzeitstermin. Lisbeth ist
guten Muts, bringt das Hannken und die Zaunrüben zu Bett, lernt mit Freude
dabei das Liedchen auswendig: »Sie tuuun sich ni-hichts zu-hu-leide, hat eins
da-has andere gern …«
Die Dorfoberen kommen am frühen Morgen, als das
Hannken noch schläft. Der Bürgermeister von Hassum bollert an die Türe, dringt
mit sechs Mann herein, darunter der Schmied, und verliest ein Schriftstück,
worin steht, dass aus gegebenem Anlass alle geisteskranken Personen, welche im
Landkreis ansässig, der Obhut der barmherzigen Schwestern im Irrenhaus in Kleve
zu übergeben seien, insbesondere wenn von diesen Personen eine Gefahr für Leib
und Leben der Allgemeinheit ausgehe. Ihm sei berichtet worden, dass sich ein
elternloses und geistig verwirrtes Kind, welches im Gasthaus zum Ochsen wohne,
sich ohne nennenswerte Ursache eines Übergriffs auf preußische Amtspersonen
schuldig gemacht habe. Damit sei der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt
und das Kind unverzüglich festzunehmen.
Der Bürgermeister lässt keinen Einwand zu, beordert seine
Begleiter, das Kind in seinem Schlafgemach ausfindig zu machen, zu knebeln, zu
fesseln und unverzüglich nach Kleve zu bringen.
Der Hannes vom Schäfer-Karl habe ebenfalls Soldaten angreifen
wollen und sei von ihnen erschossen worden, wispert der Schmied Lisbeth zu, und
da könne sie noch froh sein, denn das Kind bleibe wenigstens am Leben.
Das Hannken wehrt sich nicht und schreit nicht, schickt seinen
erstaunten, noch schlaftrunkenen Blick mitten in Lisbeths Herz.
Da wirft sich Lisbeth dem Bürgermeister vor die Füße und
schreit, schreit, dass sich ihre Kehle aus dem Rachen wölben will, aber die
Wände zittern nicht und das Fensterglas klirrt nicht und der Bürgermeister von
Hassum lässt sich nicht aufhalten. Und der Schmied auch nicht.
Die Mutter stürzt vom Ofensims auf den Fußboden herab und
weint mit Lisbeth. Die heilige Irmgard und der heilige Bartholomäus aber erkennen,
dass Lisbeth untröstlich ist. Sie eilen der Schar der Dorfoberen hinterher und
begleiten das kleine Hannken auf seinem Weg.
24 von Wolzogen
»Mit Verlaub, gnädiger Herr Adjutant, dem Herrn
Major ist noch immer nicht recht wohl«, meldet Amtsdiener Bickel. Ein Herr
Doktor sei da gewesen, berichtet er wortreich, und der habe dem Herrn Major
einen weiteren Tag Bettruhe empfohlen, da dieser geruht habe, immer noch zu
kotzen und zu würgen und dabei ein hochrotes Gesicht mit Pusteln zu zeigen wie
ein Fliegenpilz. Bickel macht eine Kunstpause und grinst, dass seine
dezimierten Backenzähne von Wolzogen anblinken. »Ja, ja, der Wermut. Der kann
einem Mann schon zusetzen, was. Vor allem das letzte Glas!«
Von Wolzogen streift sich Hemd und Rock über, schließt
die Reihe goldener Knöpfe von unten nach oben, fährt sich mit dem Kamm aus
Elfenbein durchs Haar, den er sogleich wieder reinigt und ins Revers steckt.
Der Kamm ist ein Geschenk seiner lieben Frau Mutter zu seiner Firmung.
»Dann werde ich allein zur Kreismeisterei reiten.«
»Ich begleite Euch gern, erlauchter Herr Adjutant«, sagt
Bickel und macht einen Diener.
Von Wolzogen nickt betont gleichmütig und tritt, ohne
Bickel eines weiteren Blicks zu würdigen, aus der kleinen Kammer im Ostflügel
der Schwanenburg zu Kleve, in der er die letzten Tage mit Übelkeit, Erbrechen,
Zitterattacken und schlechten Träumen zugebracht hat. Auf seinem Weg durch die
leeren Säle mit den verblichenen Wand- und Deckengemälden stutzt er. Der von
ihm befehligte Dragonerhaufen lungert in Grüppchen auf dem Parkett, spielt mit
Karten, Würfeln oder Trieseln.
»Wieso ist meine Kompanie nicht auf den Feldern, macht
ihre Arbeit?«
»Mit Verlaub, die Herren Soldaten haben ihre Aufgabe
gewiss zur vollsten Zufriedenheit des Herrn Adjutanten erledigt. Alle von Seiner
Majestät entsandten Kartoffeln
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