Die Spucke des Teufels
Mond!«, sagt Lisbeth.
Hannegret betrachtet den Himmel. »Aber keine Sterne«, sagt
sie ernst. Es klingt, als seien die Sterne für immer verloren.
Lisbeth schüttelt die Traurigkeit ab, die ihr aufs Herz
drückt. »Die hat sich der liebe Gott ausgeliehen. In ein paar Stunden sind sie
wieder da, dann kannst du sie sehen«, verspricht Lisbeth, nimmt den Rechen und
rafft das welke Laub von den Beeten.
»Schlaf, Kindlein, schlaf …«, singt Hannegret leise und
drückt ihre Puppen eine nach der anderen an sich.
Lisbeth lauscht. Hannegret kennt schöne Lieder. Gewiss
hat Hannegrets Mutter oft gesungen. Lisbeth wird die Lieder bald lernen und
mitsingen.
Sie bückt sich, zieht das Unkraut aus dem Mohrrübenbeet.
Ihr Kleid spannt. Schon seit Tagen spannt und kneift es. Bildet sie es sich ein
oder wölbt sich ihr Bauch? Ist die Monatsblutung nicht überfällig? Unsinn! Lisbeth
kann keine Kinder bekommen. Lisbeth ist eine taube Nuss. So hat der Ochsenwirt
immer gezetert. Sein Weib, die taube Nuss, die würd und würd nicht schwanger.
Obwohl er doch ein Mann in den besten Jahren und mit den besten Säften wär. So
hat er es allen Gästen und auch im Dorf herumerzählt und alle Weibsleute haben
Lisbeth noch scheeler angesehen als zuvor. Einem Weib, das keine Kinder
gebiert, dem grollt der liebe Gott. Oder es wird von Freya gestraft, was so gut
wie das Gleiche ist.
Damals hätte Lisbeth gern ein Kind geboren. Selbst wenn
es ihren Tod bedeutet hätte. Aber jetzt? Wenn sie schwanger wäre, dann vom
Kreutzer. Das ist gewiss. Ein Kind von Willem könnte sich noch nicht melden. –
Ein preußisches Kind? Gott bewahre sie davor! Lisbeth würde es vergiften,
sobald es geboren wär. Oder noch früher. Lisbeth will sowieso keine Kinder
gebären! Sie hat ja ihr Hannken. Und das Fränzken. Das man ihr eingesperrt hat.
Lisbeth wischt rasch eine Träne fort.
»… ach Gott, wie weh tut Scheiden, hat mir mein Herz
verwundt …«, singt das Hannken und bettet ihre Puppen eine neben die andere ins
Moos.
Von der Landstraße her hält eine blau-weiß-rote Uniform
zu Pferde auf das Gasthaus zu.
Nur her mit euch, ihr Drecksäcke , hört Lisbeth den
heiligen Siegfried zischen. Die Nibelungensuppe wird euch vernichten!
Als Lisbeth das käseweiße Haar und die artig zusammengepetzten
Lippen erkennt, erschrickt sie. Es ist der junge Begleiter vom Kreutzer, sein lieber
Neffe, der da angeritten kommt.
»Hannken, mein Liebes, jetzt nicht schreien! Egal, was
passiert, nicht schreien! Bitte versprich mir das!«
Hannegret nickt. Sie nickt immer, wenn Lisbeth sie eindringlich
bittet.
Der Neffe vom Kreutzer steigt umständlich vom Pferd, humpelt
mit seinem verbundenen Fuß heran, fast noch ärger, als Willem immer humpelt,
grüßt und stellt sich als Giselher von Wolzogen vor.
Giselher heißt er also. Wie einer der Burgunderkönige,
die den heiligen Siegfried auf dem Gewissen haben. Wenn das kein Omen ist! Lisbeth
weiß jetzt: Es ist der Feind schlechthin, der da vor ihr steht und scheinheilig
übers Wetter redet. Sie schweigt, jätet das Rettichbeet. Eines der Unkräuter
ist Hundspetersilie. Hundspetersilie ist sehr giftig. Lisbeth drückt die Hundspetersilienpflänzchen
zurück in die Erde.
Der Feind räuspert sich, fragt, ob er Lisbeth einmal kurz
sprechen dürfe.
Als ob Lisbeth die Wahl hätte, Nein zu sagen! »Sehr wohl«,
sagt sie und macht einen Knicks, bückt sich und jätet die Löwenzahnsprossen aus
dem Beet. Löwenzahn gibt ein gutes Gemüse für das Hannken.
Das Hannken tut, als sei der Eindringling Luft, schichtet
das von Lisbeth zusammengerechte trockene Buchenlaub zu einem Haufen und singt
aus Leibeskräften: »Bote von dem Him-mel, dringe durchs Getüm-mel dieser eitlen
Weeelt. Und mach eine Stil-le, das ein Herz, ein Wil-le uns zusam-menhääält …«
»Es handelt sich um meinen Onkel, Herrn Major Kreutzer.
Er schickt mich.«
»Sehr wohl«, sagt Lisbeth und pickelt mit der Harke ins
Erdreich.
»Herr Major Kreutzer bedauert außerordentlich, dass unglückselige
Umstände zu jener handgreiflichen Auseinandersetzung geführt haben«, sagt der
Feind, lacht, als erzähle er einen Scherz. Selbstverständlich wolle der Major
den Schaden begleichen, den zerborstenen Tisch von einem Schreiner wieder
herrichten lassen und das zu Bruch gegangene Geschirr ersetzen, da die anderen
Teilnehmer der Prügelei vermutlich nicht über Geld und Mittel verfügten …
»Was ist mit meinem Neffen? Dem Müller? Dem Schäfer?
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