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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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sind unter der Erde.«

    »In der Erde, sagt man, in der Erde!«, korrigiert von Wolzogen,
um sich zugleich entschieden zu wundern: »Schon?«

    »Ja, mit Verlaub, Herr Adjutant, die Bauern hier in Kleve
waren fast alle gehorsam und fleißig, haben die zugewiesenen Kartoffeln flugs
in ihre Felder geschafft. Alles ging ohne Murren vonstatten, denn wer sich
widersetzte, wurde kurzerhand mit eingegraben.«

    »Mit eingegraben?« Von Wolzogen fährt zusammen. Er hat,
um dem erbärmlichen Peitschenschwingen auf den Feldern nicht zuschauen zu
müssen, schon vor mehr als zwei Wochen die Dragoner mit ihrer Aufgabe allein
gelassen, was womöglich ein Fehler war. Im Geiste sieht er, wie die Saatkartoffeln
säckeweise in Lehmlöchern verschwinden – und mit ihnen die Leiber von lebenden
Menschen. Von Menschen, die in irgendeiner Weise die Sanktionage der Dragoner
oder auch nur deren Lust zu schinden und zu quälen herausgefordert haben.

    »Se. Majestät der König wird hochzufrieden sein, wenn er
geruht, die Felder zu besichtigen«, plappert Bickel weiter.

    Vor von Wolzogens Augen reitet Se. Majestät hoch zu Ross
die Feldwege entlang, während zu seiner Rechten und Linken bleiche Hände und
Füße aus den Äckern wachsen, umgeben von Kartoffelsprösslingen, die blutrote
Blüten treiben … Von Wolzogen wird wieder übel. Zum Erbrechen übel. Er wankt
und hält sich am Rahmen einer Eichentüre mit gedrechselter Bordüre fest. Der
Rahmen bricht, Mörtel bröselt zu Boden, von Wolzogen hält ein Stück Bordüre in
der Hand. Auf der polierten Außenseite glänzt es wie Seide, das Innere ist von
Holzwürmern durchlöchert. Holzmehl stäubt heraus. Dass Se. Majestät die
Schwanenburg nicht wertschätzt, die sein Urgroßvater, Kurfürst Friedrich Wilhelm I.,
liebevoll in barockem Stil restaurieren ließ, ist von Wolzogen natürlich
bekannt. Auch dass er sie hat vollständig ausräumen und verschließen lassen.
Doch muss sie nun derart verkommen?
    »Mit Verlaub, wo wird Se. Majestät, unser aller verehrtester
König, geruhen zu wohnen während seines geschätzten Aufenthalts am Niederrhein?«,
fragt Bickel, als könne er von Wolzogens Gedanken lesen.

    Von Wolzogen lässt das Bordürenstück fallen und tupft die
Hände aneinander, um den Holzstaub abzuschütteln. »Dies ist noch nicht
entschieden.«
    Er stürmt den Arkadengang entlang und hinüber zum
Marstall, wo sein Rappe, wie verloren unter Dutzenden von Dragonergäulen, schon
nervös mit den Hufen scharrt. Von Wolzogen sattelt ihn eilig und sprengt los.
Bickel besteigt ein geschecktes Kaltblut, reitet mit steten Hüa-hüa-Rufen
hinter von Wolzogen her, den Hang hinunter durch die Wohnviertel der Stadt.

    In Kleve ist alles auf den Beinen. Frauen und Mädchen
waschen den Ruß des letzten Winters von den Fensterscheiben, Männer bessern
Türen und Zäune aus. Mancher schmückt sein Haus mit zierlichen Kästen, in denen
Blumen wachsen, und vereinzelt winken sogar preußische Fähnlein von den Dächern.
Das Rathaus nahe dem Markplatz ist ganz von einem Gerüst umgeben, auf dem sich
Zimmerleute und Malermeister den Platz streitig machen. Straßenfeger kratzen
festgetretenen Tierkot vom Pflaster. Von Wolzogens Plan geht auf. Schon ein nur
angekündigter Besuch des Königs wirkt Wunder.

    Er lenkt sein Pferd vorsichtig durch das Gewusel, Bickel
ebenso. Man weicht ihnen aus, ohne sie zu beachten. Erst als sie vor dem
Kreisgefängnis absatteln, zupft ein altes Männlein mit Rauschebart von Wolzogen
am Ärmel: »Wenn der König kommt, besieht er sich auch einmal das Judenviertel?
Wo die Juden wohnen?«

    Von Wolzogen stutzt. Würde Se. Majestät das tun? Wohl
kaum!

    »Gewiss, gewiss«, sagt er und lächelt dem Mann ins runzlige
Gesicht. »Du weißt doch wohl, dass dem König alle Religionen gleich gut sind!«

    »Die Religionen ja, aber auch die Menschen dazu?«

    »Weg da, verschwinde, Kerl!« Bickel zieht seine Knute.

    Von Wolzogen hebt begütigend die Hand: »Wie meinst du das:
›die Menschen dazu‹?« Er nickt dem Mann freundlich zu und schämt sich im
gleichen Augenblick seiner törichten Frage. Erst kürzlich hat Se. Majestät den
Aufenthalt von Juden in Berlin auf wenig mehr als zweihundertundfünfzig Männer
nebst Familien begrenzt. Und weigert sich seit Jahren, den angesehenen Philosophen
und Aufklärer Moses Mendelssohn zu empfangen.

    Der König fördere doch die Juden, indem er sie zur
Gründung von Manufakturen und Handelskontoren ermuntert, will von Wolzogen
rasch

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