Die Spucke des Teufels
anmerken. Doch das Männlein eilt bereits mit eingezogenem Kopf davon.
Von Wolzogen schüttelt das Unbehagen ab, das ihn befallen
will. Zumal ihm vermutlich noch Unbehaglicheres bevorsteht. Bei seiner letzten
Visite im Kreisgefängnis stank es ärger als in jedem Schweinestall. Die mehr
als drei Dutzend Strafgefangenen waren in einem einzigen Raum auf bloßem Stroh
untergebracht, in das sie ihre Notdurft verrichteten. Von den Wänden bröckelte
der Putz, Schimmel und Moder überzogen das blanke Mauerwerk. Selbst die
Brotsuppe, die man in splittrigen Holzschalen an die Delinquenten austeilte,
roch nach Fäulnis.
Von Wolzogen hat auf den Rat eingewirkt, hat eindringlich
vermerkt, dass Se. Majestät solche Zustände nirgends – nein, auch in keinem
Gefängnis – dulden würde. Hat angeordnet, dass jeder Gefangene einen eigenen
Strohsack erhält, außerdem frisches Brot und sauberes Wasser. Für die Notdurft
sollen Eimer bereitstehen, die täglich zu leeren sind …
Ob die Vorschriften unterdessen befolgt werden? Von
Wolzogen hat versäumt, sich zu erkundigen. Doch er wird alles inspizieren.
Später! Zunächst muss er sich um Lisbeths aufmüpfige Stammgäste kümmern, weil
ihr offenbar an ihnen liegt. Und sie muss ja gefügig bleiben. Er wird die Männer
strengstens verhören, ermahnen, sodann jedoch freilassen – wie er es Lisbeth versprochen
hat.
»Einen schönen guten Morgen, Herr von Wolzogen!«,
schnarrt eine hohe, schmale Gestalt, die von einem Amtsmantel umweht und mit
einem hohen Hut auf dem schütteren Haar aus einer Seitentür tritt.
Bickel fällt sofort in einen Diener, von Wolzogen
salutiert und senkt den Blick.
»Mein Name ist Hartmut von Bergh.«
Von Wolzogen salutiert nochmals, hebt indes wieder das
Kinn. Die von Berghs sind zwar von höherem Adel als er, doch als Entsandter des
Königs ist von Wolzogen zweifellos in der höheren Position. Hinzu kommt, dass
die Familie des Grafen Johan Baptist von Bergh vor Jahren entschieden an
Reputation eingebüßt hat. Schoss dieser doch zur bloßen Belustigung seiner
Gäste einen Handwerker vom Dach seines Schlosses, sodass dieser starb.
»Wir haben Eure Anregungen unser Gefängnis betreffend
vernommen und bereits umgesetzt, wie Ihr sicher heute zu begutachten wünscht«,
trägt von Bergh vor. Sein Mund zuckt, als unterdrücke er ein Grinsen.
Von Wolzogen richtet den Blick auf die frisch getünchte
Wand, über die eine fette Spinne saust, als fliehe sie vor der ungewohnten
Helligkeit. »Heute möchte ich mit einigen Männern sprechen, welche kürzlich auf
unsere Initiative hin festgenommen wurden. Ich wünsche selbst zu entscheiden,
ob wir denn Anklage erheben und sie vor Gericht stellen wollen oder nicht.«
»Auch dies werden wir sogleich ermöglichen, Herr von
Wolzogen«, sagt von Bergh und scheucht Bickel mit einer Handbewegung zur Seite.
»Ich bringe Euch ins Verhörzimmer, unseren vornehmsten und ruhigsten Raum, wo
Ihr einen soliden Tisch und einen bequemen Stuhl vorfindet. Ich werde ferner …«
Ein Gellen, untermalt von Berghs Ankündigung, dringt aus
dem Kellergeschoss ins Vestibül.
»… Papier und Feder bereitstellen. – Bickel, er sorge dafür,
dass die fraglichen Personen gefesselt, aber in ansehnlichem Zustande dem Herrn
Adjutanten vorgeführt werden …«
Noch einmal ein Schrei, gedehnt und qualvoll, dann Gewimmer
wie unter Schmerzen.
»Was ist das?« In von Wolzogens Brust brodelt Empörung auf.
»Ihr kennt doch gewiss die Ordre Sr. Majestät, dass nirgendwo im Königreich
mehr gefoltert werden darf!«
»Das ja, lieber Herr von Wolzogen. Doch Se. Majestät war
so weise, ebenso zu verfügen, dass diese Ordre nur den Verwaltungen der Städte
und Kreise sowie ausgewählten Publikationen bekannt werden soll.« Von Bergh
lächelt listig, reckt die Brust, dass die blinkende Ratskette um seinen Hals
zur Geltung kommt. Die Ordre, so erklärt er weiter, solle keinesfalls vor dem
einfachen Volk ausgebreitet werden, damit dieses fürderhin in Ehrfurcht seinen
Dienst tue. Der König in seiner Klugheit nämlich – von Bergh wirft von Wolzogen
einen abschätzigen Blick zu – habe bedacht, dass wenn auch nicht die Folter
selbst, so doch die Furcht vor der Folter gegenwärtig bleiben müsse, um das
Volk, vor allem aber die Delinquenten, gefügig zu machen. Daher habe man sich
im Kreis Kleve entschlossen, gelegentlich eine peinliche Befragung von
Gefangenen vorzutäuschen.
»Was aber«, lenkt von Wolzogen ein und reckt
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