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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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seinerseits
die Brust, »wenn die Gefangenen von dem Schreien und Wimmern erzählen? Dann
wird es heißen, im Kreis Kleve werde weiterhin gefoltert – ganz wie unter Sr.
Majestät Vorväter. Man stelle sich vor, diese Nachricht käme dem König, der ja
in Kürze anreist, zu Ohren. Ob Se. Majestät Euch dann wohl glauben wird, dass
Ihr die Folter nur vorgetäuscht habt?«

    Das Schmunzeln um von Berghs Lippen schwindet, stattdessen
zucken seine Augenlider. Er beordert Bickel in den Keller. Die Schreie
verstummen.

    Das Verhörzimmer gleicht den Seminarsälen der Militärakademie.
Ein mit Ebenholz furniertes und auf einem Podium festgezimmertes Katheder macht
sich am Kopfende breit. Gegenüber mehrere Reihen Gestühl, gewiss aus einfachem
Material, jedoch im gleichen Farbton gebeizt und mit bequemen Fußbänken
versehen. Dazwischen die schlichte Buchenholzbank, auf der vermutlich die
Delinquenten zu sitzen haben.
    Von Wolzogen nimmt auf dem mit Leder bezogenen Sessel hinter
dem Katheder Platz und wartet mit gefalteten Händen. Ein Gefühl der Erhabenheit
ergreift ihn, als er um sich blickt. Hohe Fenster mit wenigen Sprossen lassen
viel Licht sowie ein wenig Laubgrün hereinscheinen. Von Wolzogen lehnt sich
tief in den Sessel, atmet durch. Sein Blick fällt auf die Delinquentenbank. Sie
bietet keinerlei Lehne, weder für den Rücken noch für die Arme. Unvorstellbar,
dort in leidlicher Körperposition längere Zeit zu verbringen.

    Man möge die Angeklagten in ansehnlichem Zustande vorführen,
hatte von Bergh formuliert. In welchem Zustande sie wohl sonst sind?

    Die Gestalt, die die Wachtposten hereinschleppen, erkennt
von Wolzogen kaum wieder. Bucklig die Haltung, das Gesicht ebenso grau wie das
zottige Haar.

    »Name?«, fragt von Wolzogen.

    Der Mann antwortet nicht, er stiert ins Nichts.

    Bickel drückt ihn auf die Bank. »Das ist Karl Wemmer,
Schafhirte zu Hassum und Hommersum.« Laut Klageschrift habe er am Abend des 29.
April im Gasthaus zum Ochsen Herrn Major Kreutzer tätlich angegriffen.

    »Was sagst du dazu, Karl Wemmer?«, fragt von Wolzogen
freundlich und sucht vergebens den Blickkontakt.

    »Er ist verstockt, da sein Sohn kürzlich umgekommen ist.«

    »Wie? Umgekommen?«

    »Es hat – dem Herrn – gefallen – meinen lieben Sohn – zu
sich – zu sich …«, bricht es aus dem Mann heraus.

    »Von den Dragonern erschossen, Herr, vorgestern«, sagt
Bickel, senkt den Kopf.

    »Beim Kartoffelanbau?«

    »Mit Verlaub, nein, Herr Adjutant! Es waren unglückliche
Umstände. Sein Sohn war zeitlebens geistesschwach, hat sich mitten in der Nacht
zu den Dragonern geschlichen, die auf dem Feld postiert waren, und hat ihnen
aufgelauert.«

    »Und da hat es – dem Herrn – gefallen …«

    »Man hat seinen Sohn für einen Konspirateur gehalten und
sogleich geschossen, leider. Dabei hatte er nur ein Holzgewehr bei sich, ein
Spielzeug.«

    »Doch wie kommt ein Geistesschwacher nachts allein ins
Feldlager?«

    »Er ist wohl, wie aus den Dörfern verlautet, dem Kreischen
eines Weibs gefolgt, mit welchem sich die Dragoner in der Nacht vergnügt haben,
Herr Adjutant.«

    »Wie bitte? Ein Dutzend Dragoner haben sich mit einem
Weib – vergnügt? «

    »Mit einer Dirne, mit Verlaub, einer Dirne aus Goch.«

    »Ach so«, von Wolzogen lehnt sich beruhigt zurück.

    Deren Stöhnen und Jauchzen habe den Hannes wohl angelockt,
mutmaßt Bickel und kichert. »Vielleicht hat er ja gehofft, selbst einmal – der
arme Wicht!«

    »Der arme Wicht – der arme Wicht – es hat – dem Herrn – gefallen
– den armen Wicht – erschießen zu lassen«, stottert der Alte und rollt sich zusammen
wie eine Made.

    »Sein Sohn war sein einziges Kind, Herr, und seine
einzige Hilfe auf der Weide«, sagt Bickel und zeigt eine Mitleidsmiene.

    »Der Mann ist offenbar von der Schwermut befallen und
damit gestraft genug«, entscheidet von Wolzogen. »Man bringe ihn ins Spital und
lasse ihn frei, sobald er gesundet ist. Als Entschädigung für den Tod seines
Sohnes soll ihm ein Knappe zugewiesen werden, für dessen Kosten die königliche
Kasse aufkommt.«

    »Sehr wohl.« Bickel eilt zum Schreibpult, notiert die
paar Zeilen auf einen frischen Papierbogen. Von Wolzogen unterschreibt und setzt
einen Stempel darunter. Der Schäfer-Karl bleibt unbeteiligt auf seinem Bänkchen
hocken, wimmert, muss gewaltsam aus dem Verhörzimmer getragen werden.

    Von Wolzogen atmet tief durch. Jetzt wäre ihm eine Stärkung
kommod! Er ordert eine Tasse

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