Die Spucke des Teufels
denn vor dem Publikum über mein Missgeschick, schweig über die
leidige Müh der Bauern hier am Niederrhein derzeit, schweig nun sogar über das
Elend von Lissabon, denn niemand, der ein Schauspiel erwartet, mag solche Dinge
hören.
Montag
Mein Gott, was ist es in Wallung derzeit, das Volk
in diesem Landstrich! Der König kommt, der König kommt, so heißt es
überall, Männer sagen es ihren Weibern, Weiber sagen es ihren Kindern und
überhaupt sagt es jeder jedem, der es freilich längst schon weiß. Nun kehren
sie fleißig ihre Gassen und Plätze, pflanzen Blumen entlang der Hauptstraßen,
wollen all zeigen, dass sie gute Untertanen sind und dem Besuch des Königs
würdig, und auch meine Schauspieler freuen sich und hegen die vage Hoffnung,
der König könne sich für ihr Theater begeistern. Also üben sie ein uraltes
französisches Stück ein, das heißt Schule der Frauen und handelt von
ihren bevorzugten Sujets, welche sind die wahre Liebe, die Nebenbuhlerei und
die Eifersucht, und da es von einem berühmten Franzosen namens Molière
geschrieben ist, hoffen sie, dass der König es sich anschauen wird. Ich üb
derweil in meinen Frauenkleidern zu singen und zu tanzen, was aber den anderen
nicht recht gefällt, denn sie sagen, das sei allzu platter Ulk, und so suche
ich noch nach einer trefflichen Aufgabe in ihrem Stück, denn hier muss ein
jeder das einspielen, was er verfrisst, es sei denn, er ist krank oder ein sehr
kleines Kind.
Freitag
Heute ist mir eine große Freud widerfahren, denn
sie sind frei, W. und ebenso der Bub, ich hab sie auf dem Wochenmarkt gesehen,
wo sie gleich nach ihrer Entlassung hin sind. Sie haben mich zu meiner größten
Verwunderung trotz meiner Verkleidung erkannt und sind mir um den Hals
gefallen, sodass ich froh und erleichtert bin, weil jetzt nichts mehr zwischen
uns ist. Beide sind trotz der zwei Wochen bei Wasser und Brot wohlauf, aber
doch voller Sorge, weil die Dorfoberen das Mädelchen ins Irrenhaus haben
sperren lassen. Auch hat man wieder preußische Fahnen vorm Wirtshaus zum Ochsen
gesehen und so will W. einen Boten mit einem Brief an L. hinschicken, wobei er
auf mich zählt, sodass ich überleg, wie ich es anstell, ohne dass man mich erwischt,
denn die Weibskleider hält W. für gänzlich ungeeignet und auch der Bub hat dazu
den Kopf geschüttelt.
Samstag
Es ist doch immer wieder ein Glück, wenn es einem
gelingt, zwei Fliegen mit einer Klapp zu schlagen, denn die Schauspieltruppe
hat mich in das Gewand eines Mönchs gesteckt, damit ich in ihrem Stück als solcher
herhalten kann, weshalb ich leider auch Teile meines Haupthaares eigenhändig
abrasieren musst, weil sie sagen, jeder Mönch müsst eine Tonsur haben, sonst
säh es nicht aus wie echt. Ich mag nun recht absonderlich erscheinen in meiner
Kutte und keine Lebensart ist mir fürwahr fremder als die eines Mönchs, doch
wer sollte besser geeignet sein, als Kundschafter zum Wirtshaus zu gehen, zumal
ich mir sogar einen Esel leihen konnt, der ein passenderes Reittier für einen
Bettelmönch abgibt als ein Pferd mit einem bunten Wagen. Wohlan, so reise ich
nun mit Gott und erbitte seine Gnade und Großherzigkeit für mich und die Meinen.
Amen!
26 Willem
Er ist nicht immer der Schnellste, der Jost. Bis
er seinen Bart rasiert, seine Schuhe gebunden und seinen Esel in die Gänge
gebracht hat, sind andere oft schon hin und zurück. Auch kann es dem Jost
leicht passieren, dass ihn ein Schwatz mit irgendeinem Lumpengesellen aufhält,
dem er seine Mären erzählt, und im Gegenzug den Stoff für neue Mären von ihm
geliefert bekommt. Also darf Willem nicht ungeduldig sein, wenn der Jost sich
aufmacht nach Hassum zum Wirtshaus, um Lisbeth eine Nachricht zu überbringen.
Lisbeth soll wissen, dass Willem sie schon nächsten Sonntag heiraten will. Und
dass jemand in Lisbeths Lage das Trauerjahr nicht einhalten kann, das sei doch
klar und da werde sogar der liebe Gott ein Einsehen haben. Außerdem soll
Lisbeth wissen, dass Willem Hannegret schon in ein paar Tagen zurückholen wird.
Schließlich ist Hannegret Willems Nichte! Jedenfalls auf dem Papier, das der
schlaue Jost angefertigt hat. Wenn Willem mit nämlicher Urkunde – versehen mit
einem Amtsstempel der vornehmen Stadt Trier – zur Kreisverwaltung in Kleve
reitet und sagt, dass er Hannegret an Kindes statt annehmen will, dann mögen
die denken, was sie wollen, dann darf das Hannken gleich wieder heim.
Das alles soll der Jost Lisbeth
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