Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
Vom Netzwerk:
lassen. Von Wolzogens Mission ist so
gut wie erfüllt, bald wird er nach Hause reisen …

    »Da ist noch so ein Wicht draußen, gnädiger Herr Leutnant«,
meldet Bickel. »Der will schon seit Tagen den Herrn Major sprechen. Seit er
weiß, dass Ihr hier seid, will er unbedingt Euch sein Anliegen vortragen.«

    Ein graubrauner Haufen Mensch betritt das Verhörzimmer,
den fisselhaarigen Schopf auf Schulterhöhe, die Mütze schaukelt an seinen
verschränkten Händen, ungefähr da, wo ihm das Gemächte hängen muss.

    Von Wolzogen ist wenig neugierig, würde gerne von dem
Nusskuchen kosten. »Was gibt’s?«

    Der Mann hebt den Kopf. Er hat nur den Stumpf einer Nase
in seinem verwitterten Gesicht. »Ich wollte dedm gdnädigedn Herrdn verdmeldedn,
dass ich gewahr wurde, dass dnämlich Willedm dMüller eidn Aufrührer ist!«, näselt
er.

    »Diese Vermutung ist uns bereits zugetragen worden und
hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Danke! Er kann abtreten!« Es ist seit
Jahren das erste Mal, dass von Wolzogen einen Menschen mit ›er‹ anspricht. Er favorisiert
das freundlichere ›du‹ oder das höflichere und sehr moderne ›Sie‹. Doch
Denunzianten sind ihm von jeher ein Greuel.

    Der Mann bleibt stehen, nestelt an seiner Mütze. »Es ist
auch so, dass Willedm dMüller die Ochsednwirtidn, also die Lisbeth Ochs, dedm
Herrdn dMajor Kreutzer ausgespadnnt hat!«

    Von Wolzogen erschrickt, die Kaffeetasse zittert in
seiner Hand. Doch er fasst sich wieder. »Wie meint er das – ausgespannt?
Lisbeth Ochs ist doch kein Pferd!«

    Bickel kichert.

    »Gewiss dnicht. Aber so sagt dman doch in Berlidn, wednn
eidn Weib eidne Liebschaft dmit eidnedm adnderedn adnfädngt!«

    Von Wolzogen sieht Bickel grinsen, gibt sich hochmütig. »Es
ist keineswegs von Belang für Herrn Major Kreutzer und für mich, mit wem die
Gastwirtin Lisbeth Ochs eine Liebschaft unterhält. Dessen kann er gewiss sein.
Und nun entferne er sich!«

    Von Wolzogen wedelt mit der Hand, als wolle er eine
Fliege verscheuchen. Bickel führt den Kerl hinaus.

    Ein Liebesverhältnis mit dem Müller? Das mag sein. Von
Wolzogen sausen die Gedanken durch den Kopf. Der Müller hinkt wohl ein wenig,
ist aber ein ansehnlicher Mann mit einem schönen Gesicht und einem freundlichen
Wesen. Ja, eine Liebschaft ist denkbar, begünstigt durch die spürbare Zuneigung
zu den Waisenkindern. – Daraus folgt: Der Kreutzer ist mit seinem zudringlichen
Werben dem Glück der Wirtin im Weg.
    Auch von Wolzogen, so muss es ihr scheinen, ist ihrem
Glück im Weg. Stimmt es also, was ihm deuchte, als er mit Übelkeit, Erbrechen
und Schüttelfrost im Schloss lag? Dass vielleicht nicht der Wermut und das
viele Bier an seinem Unwohlsein schuld waren, sondern die Suppe? Hat Lisbeth
versucht, den Kreutzer und ihn zu vergiften?

    Der Kaffee schlägt Wellen in seinem Bauch, der Apfelstrudel
steigt wie feurige Lava in seinem Schlund. Von Wolzogen rennt hinaus in den Hof
und übergibt sich.

    »Lasst die Ochsenwirtin vorführen«, stöhnt er, als sich Bickel
mit besorgter Miene nähert.

25     Jost

     
    Aus dem Tagebuch eines Unbekannten, undatiert, gefunden
im Nachlass des Küchenmeisters Franz Vincent Müller, 1822 in Hamburg.

    Mittwoch

    Man kommt langsam voran, wenn man mit Schauspielern
reist, denn überall, wo sie glauben, dass es sich lohnt, bauen sie als Erstes
ihre Bretterbühne zusammen, werfen sich ihre bunten Kleider über, malen ihre
Gesichter an und stimmen ihre Lauten, machen einen Lärm, dass keiner sein
eigenes Wort versteht, zumal die Kinder, die ihnen zwischen den Füßen
herumrennen, diese und jene Utensilie kaputt machen, die dann noch eilends
geflickt werden muss, sodass es manchem im Publikum zu lang wird und er wieder
geht, was aber nicht schadet, denn wenn die Vorstellung endlich beginnt, sind
gleichwohl alle Bänke voll und obendrein findet sich noch eine Traube stehenden
Volks ein und alles staunt mit offenem Maul über das, was geboten wird.

    Mein eigenes Gewerk ist in solcher Umgebung nicht
gefragt, deshalb üb ich mich im Spiel der Maultrommel und der Ziehharmonika, halte
das Publikum bei Laune, während die Schauspieler ihre Kleidung und ihre
Perücken wechseln oder die Bühne umgestalten. Sie spielen ein vergnügliches
Stück, das von heimlicher Liebe und Nebenbuhlerei handelt und worin die
Traurigkeit keinen Platz hat. Wenn jemandem in solchen Stücken Unbill
widerfährt, so ist er ein böser Charakter und hat es nicht anders verdient. Und
so schweig ich

Weitere Kostenlose Bücher