Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
Vom Netzwerk:
Pfefferminzbrühe und zwei Milchwecken mit etwas
Butter. Nicht lang, da kommt beides auf silbernem Tablett herbei, gefolgt von
einem Servierkarren mit Speisen, die ihm Bickel als ›niederrheinische
Kaffeetafel‹ anempfiehlt: eine voluminöse Kanne mit Kaffee, dazu Apfelstrudel
mit Schlagrahm, Nusskuchen mit kandierten Früchten, Roggenbrot mit Käse,
Schinken und Gurke, ein Stück Sauerbraten mit eingelegten Preiselbeeren, Hackbraten
mit Zwiebeln und als Krönung des Ganzen ein Maß Bier.

    Von Wolzogen dreht sich der noch immer vom Wermut in
Mitleidenschaft gezogene Magen um. Er rückt das Bier und die Bratenstücke aus
seinem Blickwinkel, beißt in ein Brötchen, nippt an der Pfefferminzbrühe und
lässt die beiden anderen Delinquenten vorladen.

    Gottlob, der Weißschopf und das halbwüchsige Riesenross
scheinen gesund an Leib und Seele, betreten mit gefesselten Händen und
Bleikugeln an den Füßen, aber aufrecht, das Verhörzimmer. Der Weißschopf hält
den Kopf gesenkt, die Brust erhoben. Seine ganze Aufmerksamkeit scheint dem Knaben
zu gelten, der mit hängenden Schultern und trauriger Miene neben ihm hergeht.

    »Name?« – »Alter?« – »Beruf?« Von Wolzogen gibt sich
Mühe, einen sachlichen Ton anzuschlagen. Die beiden gefallen ihm, scheinen
freundliche, friedfertige Menschen zu sein. Am liebsten würde er ihnen sogleich
die Fesseln abnehmen und sein opulentes Mahl mit ihnen teilen. Seine Fragen erübrigen
sich ohnehin. Beide haben ordentliche amtliche Papiere, die sie hinreichend und
als bisher nicht straffällig ausweisen.

    »Also, Franz Müller aus Trier, dir wird vorgeworfen, am 29. April
im Gasthaus zum Ochsen unseren Herrn Major Heribert Kreutzer tätlich
angegriffen und verletzt zu haben …«, beginnt von Wolzogen und stellt sich
vor, diesem rüpelhaften Kreutzer einmal selbst mit Wonne ins Gesicht zu
schlagen, »… wobei auch ein Tisch und allerlei Geschirr zu Bruch gingen …«

    Der Knabe hört sich alles bis zu Ende an, trägt dann
schüchtern, aber mit wohlgesetzten Worten vor, dass er dies alles nicht gewollt
habe, da er ein friedfertiger Mensch sei und nur seine Schwester habe schützen
wollen, die seit dem Tode der Eltern etwas verstört …

    Von Wolzogen versteht. »Du bist Knappe bei deinem Onkel,
Willem Müller, und wohnst bei ihm? Deine Schwester ist in Obhut der
Ochsenwirtin?«

    »So ist es, Herr!«

    »Und nun zu dir, Willem Müller aus Hommersum! Du hast mir
bei gleicher Gelegenheit das Kinn verletzt.«

    »Versehentlich, Herr, ich schwöre, dass es versehentlich
war. Ich wollte nur die Keilerei beenden, wollte den Buben und das Mädchen
herausziehen aus dem Gefecht! Habe dabei unglücklicherweise Euch getroffen.«
Spricht’s und senkt den Kopf. Eine bläuliche Beule schimmert durch das weiße Haar.
    »Und ich, mit dem bloßen Ansinnen, die Keilerei zu beenden,
habe Euch an die Stirn geknufft, nicht wahr?«

    Der Müller schweigt. »Damit sind wir also quitt!«, sagt
von Wolzogen, will das wenige Papier vor sich zu einem ordentlichen Stapel
häufen.

    »Quitt?« Der Weißschopf namens Willem Müller sieht erstaunt
auf.

    »Fesseln unverzüglich lösen, Papiere aushändigen und
freilassen!«, ruft von Wolzogen den an der Türe wartenden Wachtposten zu.

    Er will sich wieder seinem Brötchen zuwenden, da fällt
sein Blick auf eine zweite Klageschrift, die unter der ersten versteckt lag.
Ein gewisser Emil Rahn, Bauer zu Hassum, hat gemeldet, dass Willem Müller mit
Aufrührern aus Dortmund verbandelt sei, die dem Bischöflichen Ordinariat
fortwährend den Zehnten verweigern. Das wäre gewiss ein triftiger Grund, den
Müller weiter zu vernehmen, ihn gar bis zur weiteren Klärung des Falls
inhaftiert zu halten. Doch was geht einen Adjutanten des Preußenkönigs der
Zehnt für das Bischöfliche Ordinariat an? Noch dazu das in – Dortmund? Wo liegt
das überhaupt?
    Der Müller und sein Neffe, mittlerweile entfesselt, umarmen
sich, empfangen ihre Ausweispapiere und stürmen hinaus.

    Von Wolzogen schiebt das Schriftstück zurück in die
Kladde und verschließt sie mit einem Siegel. Genug Arbeit für heute. Der Kaffee
duftet. Der Apfelstrudel schimmert wie von flüssiger Butter durchzogen, das Sahnehäubchen
sitzt wie ein Krönchen darauf. Von Wolzogens Verdauungssytem meldet eine
gewisse Aufnahmebereitschaft. Also bedient er sich, genießt, erfreut sich an
dem durchs Fenster strömenden Sonnenschein. Die Kartoffeln sind in der Erde,
die Wirtin wird sich mit dem Major verloben

Weitere Kostenlose Bücher