Die Spucke des Teufels
klarmachen, was ihm
gewiss nicht schwerfallen wird. Schwer wird es aber sein, bis zum Wirtshaus
vorzudringen und mit Lisbeth allein zu sprechen. Denn womöglich ist wieder
alles von Preußen umzingelt – und mittendrin die arme Lisbeth, von dem Untier
von Kreutzer bewacht, das den Jost keinesfalls erkennen darf. Es wird also dauern,
und wenn Willem und das Fränzken noch so aufgeregt sind, sie müssen sich
gedulden. Also laufen sie erst mal zur Mühle, die so lange verwaist war, und
erzählen auf dem Weg jedem, der es wissen will, dass man in Hommersum ab morgen
wieder Korn mahlt.
Doch als sie in Hommersum eintreffen, ist der Jost schon
zurück, rennt ihnen auch gleich entgegen, keucht, dass das Wirtshaus leer und
die Lisbeth krank sei, sterbenskrank sogar. Und sie habe just von preußischen
Militärs verhaftet werden sollen, als der Jost dort ankam.
»Sie soll versucht haben, den Major und seinen Neffen zu
vergiften und tags zuvor ein halbes Dutzend Dragoner!« So kreischt der Jost und
sein käsebleiches Gesicht verrät, dass er sich diesmal nichts zusammenspinnt.
Die Gendarmen, erzählt er, hätten Lisbeth aber nicht verhaften können, denn sie
liege mit einer Art Auszehrung im Bett. Womit immerhin glasklar sei, dass die
Vergiftung ein Versehen war, dem sie selbst erlegen ist. Und dass Lisbeth ja
nix dafür könne, gar nix dafür könne, wenn die Kartoffeln vielleicht schon alt
und verdorben waren, zumal sie sowieso giftig …
Willem fragt nichts, sagt nichts, bürdet dem plappernden
Jost eilig seinen Rucksack auf.
»Ich hab mich als Bruder Bartholomäus vom Orden der Kapuziner
vorgestellt«, erzählt Jost weiter, »und den Gendarmen gesagt, dass Lisbeth mir
wohl bekannt und eine fromme Tochter des Herrn wär. Da sind sie abgezogen und
haben versprochen, einen Arzt zu schicken.«
Willem nickt und schweigt, fingert in seinen Brustbeutel,
händigt dem Franz alle Schlüssel zur Mühle aus und marschiert los.
»Natürlich bin ich dann selbst ins Wirtshaus rein zur Lisbeth«,
ruft der Jost, der sich müht, mit Willem Schritt zu halten. »Aber sie hat mich
nicht erkannt. Ich hab ihr angeboten, die Notbeichte abzunehmen, doch da hat
sie angefangen, von einem heiligen Siegfried zu erzählen …«
Der Jost verheddert sich in seinem Mönchsgewand, stolpert
und stürzt, Willem aber rennt und rennt, die Landstraße hinunter, durch Hassum
hindurch, immer in Richtung Wirtshaus, vergisst zu humpeln vor lauter Eile.
Die Bauern, die ihn von Ferne sehen, halten inne. Ist das
der Müller aus Hommersum? Sieht ihm ähnlich, kann’s aber nicht sein, der mit
seinem kranken Fuß! Noch nie hat jemand den Müller aus Hommersum so rennen
sehen.
»Sie wird durchkommen, aber das Kind hat sie
verloren«, sagt der junge Doktor, der just aus dem Wirtshaus kommt, als Willem
eintrifft. »Sind Sie der Vater?«
Willem stutzt.
»Lisbeth war in gesegneten Leibesumständen. Wussten Sie
das nicht? Wollten Sie kein Kind miteinander?«
Willem schüttelt erst den Kopf, dann nickt er heftig.
»Sie müssen sich nicht schämen. Mir ist nichts Menschliches
fremd. Lisbeth hat einen Kräutersud getrunken, welcher abtreibt, aber auch die
Mutter in Gefahr bringt. Ich werde niemandem davon erzählen. Mein
Schweigegelöbnis! Und auch sonst.«
Willlem wankt, wie vom eigenen Esel getreten, in Lisbeths
Schlafkammer.
Da liegt sie, blasser als je, das schönste Näschen der
Welt ragt spitz aus den Kissen.
»Mutter?«, haspelt sie und streichelt sich selbst über
die Wange.
Willem tritt an ihr Bett. »Ich bin’s, Willem!«, sagt er.
Lisbeth lächelt matt. Ihre Stimme knirscht wie rostiges
Blech: »Bist auch schon tot?«
»Wir leben Lisbeth, wir leben!« Er nimmt ihre schweißnasse
Hand. »Du wirst wieder gesund! Der Doktor hat’s gesagt.«
»Will nicht mehr leben! Die haben mir …«, Lisbeth
schluckt mühsam, flüstert und brüllt es zugleich: »Die haben mir – mein
Hanneken – weggenommen!« Ihr Leib windet sich wie unter Peitschenhieben.
Da! Da ist er wieder, der Stich in Willems Brust, der altbekannte
Stich. Sie freut sich gar nicht, dass er frei ist! Hannegrets Verlust schmerzt
sie so viel mehr als der seine. Und seine Rückkehr wiegt Hannegrets Verlust
nicht auf. Nicht mal ein bisschen!
»Ich hol sie dir zurück«, sagt er knapp. »Ich versprech’s
dir.«
Lisbeth reißt die Augen auf, schließt sie wieder, weint: »Wenn
sie noch lebt …«
»Wenn du so sehr ein Kind willst, warum hast du
Weitere Kostenlose Bücher