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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dann rang er sich zu einer Entscheidung durch.
    »Also gut«, sagte er. »Verschwinde jetzt. Und treib dich nie mehr auf dem Hafengelände herum. Draußen ist es sicherer für einen … für dich.«
    »Danke«, sagte Billy. Wenn er nicht so recht wußte, was er den Leuten sagen sollte, bedankte er sich immer. Dann schlurfte er davon.
    Es fiel ihm zunehmend leichter, gedankliche Verbindungen herzustellen: Pa war im Krankenhaus, und Pa wurde blind, und Tony Cox war schuld daran. Billy kannte schon einen Blinden – eigentlich sogar zwei, sofern man Squint Thatcher mitzählte, der aber immer nur dann blind war, wenn er mit einer Blechbüchse, einer Armbinde, einer Sonnenbrille und einem Akkordeon in die Innenstadt ging. Aber so richtig blind war Hopcraft, der ganz allein in einem stinkenden Haus auf der Isle of Dogs direkt an der Themse wohnte und immer mit einem weißen Stock herumlief. Ob Pa auch eine Sonnenbrille tragen, langsam und vorsichtig gehen und dabei mit einem weißen Stock am Rinnstein klopfen muß?, fragte sich Billy. Der Gedanke stimmte ihn traurig und wütend zugleich.
    Normalerweise hielten die Leute Billy gar nicht für fähig, Trauer oder Wut zu empfinden, denn er vergoß nie eine Träne. Deshalb hatten die Ärzte es überhaupt erst herausgefunden, daß Billy anders als die anderen war; denn als Baby hatte er sich selbst Verletzungen zugefügt, ohne zu weinen. Mom sagte manchmal zu Bekannten: »Fühlen tut Billy alles, aber er zeigt es nie. Nie weint er, nie regt er sich auf oder wird wütend.«
    Aber da irrte sie sich.
    Wenn ganz besonders schreckliche Dinge passierten – wie damals, als die Sache mit der Ratte passiert war –, loderte in Billys Innerem heiße Wut auf, und dann wollte er irgend etwas ganz Schlimmes tun. Schreien, zum Beispiel. Doch das geschah einfach nicht. Deshalb hatte Billy die Ratte kurzerhand erschlagen; es war eine große Erleichterung für ihn gewesen. Mit einer Hand hatte er das Tier festgehalten und ihm mit der anderen einen Ziegelstein auf den Kopf geschlagen, bis es zu zappeln aufgehört hatte.
    So etwas wollte Billy auch mit Tony Cox machen.
    Dann aber wurde Billy plötzlich klar, daß Tony ja viel größer als eine Ratte war – sogar größer als er selbst. Diese Erkenntnis stürzte Billy in arge Verwirrung, so daß er den Gedanken beiseite schob.
    Am Ende der Straße blieb er stehen. Im Gebäude an der Straßenecke befand sich ein Geschäft im Erdgeschoß – einer dieser alten Tante-Emma-Läden, in denen alles mögliche verkauft wurde. Billy kannte die Tochter des Ladenbesitzers, ein hübsches Mädchen mit langem Haar. Sharon hieß sie. Vor ein paar Jahren hatte sie Billy erlaubt, ihre Titten zu betatschen; dann aber war sie vor ihm weggerannt und hatte kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Noch Wochen nach diesem Erlebnis hatte Billy an nichts anderes denken können als an die kleinen runden Hügel unter Sharons Bluse und wie sie sich in seinen großen Pranken angefühlt hatten. Doch irgendwann hatte Billy erkannt, daß die Begegnung mit Sharon zu jenen schönen Dingen zählte, die man nur einmal erleben durfte.
    Er betrat das Geschäft. Sharons Mutter stand in einem bonbonfarben gestreiften Kittel aus Nylon hinter dem Ladentisch. Sie erkannte Billy nicht.
    Er lächelte und sagte: »Hallo.«
    »Was … kann ich für Sie tun?« fragte Sharons Mutter ein bißchen ängstlich.
    »Wie geht’s Sharon?« fragte Billy.
    »Danke, gut. Sie ist im Moment … nicht da. Kennen Sie meine Tochter?«
    »Ja.« Billy schaute sich im Laden um und besah sich die Lebensmittel und die Süßigkeiten, die Bücher und die Zeitschriften, den Tabak und die Geschenkartikel. Ich möchte noch mal an Sharons Titten herumspielen, hätte er am liebsten gesagt, aber er wußte, daß es irgendwie nicht richtig gewesen wäre. »Ich hab’ früher mit Sharon gespielt.«
    Diese Antwort schien die Frau sich erhofft zu haben, denn sie sah erleichtert aus. Sie lächelte sogar, und Billy sah, daß ihre Zähne fast so nikotinbraun waren wie die Zähne von seinem Dad. »Tja, womit kann ich Ihnen dienen?« fragte sie.
    Auf der Treppe war das Klappern von Schuhen zu hören, und dann kam Sharon durch eine Tür hinter dem Tresen in den Laden. Billy mußte staunen: Sie sah viel älter aus. Sie trug das Haar jetzt kurz, und die Titten waren ziemlich groß und wippten unter einem T-Shirt. Ihre Beine waren sehr lang und steckten in engen Jeans. Sie rief: »Tschüs, Mom!« und wollte aus dem Laden flitzen.
    »Hallo,

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