Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Sharon!« sagte Billy.
    Sie blieb stehen und starrte ihn an. Erkennen – und Er
    schrecken – huschten über ihr Gesicht. »Oh … hi, Billy. Hab’s eilig.« Und weg war sie.
    Sharons Mutter schaute verlegen drein. »Tut mir leid. Ich hatte ganz vergessen, daß Sharon noch oben war, und …«
    »Macht doch nix. Ich vergess’ auch schon mal was.«
    »Tja, womit kann ich Ihnen dienen?« wiederholte die Frau.
    »Ich hätt’ gern ein Messer.«
    Der Gedanke war Billy wie aus dem Nichts zugeflogen. Doch er wußte sofort, daß es genau das richtige war; denn es brachte wahrscheinlich nicht viel, einem großen starken Mann wie Tony Cox einen Ziegelstein auf den Kopf zu schlagen. Tony würde bloß zurückschlagen. Da war es schon besser, ihm ein Messer in den Rücken zu stechen wie ein Indianer.
    »Soll das Messer für Ihre Mutter sein oder für Sie?«
    »Für mich.«
    »Und wozu möchten Sie es benutzen?«
    Billy wußte, daß es besser war, den geplanten Verwen
    dungszweck für sich zu behalten. Er runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. »Zum Schneiden«, sagte er schließlich. »Taue durchschneiden und so was.«
    »Ah, ja.« Die Frau kam hinter dem Tresen hervor und nahm ein Messer mit Lederscheide aus der Schaufensterauslage, eins von der Sorte, wie Pfadfinder es benutzen.
    Billy holte all sein Geld aus der Hosentasche. Mit Geld kam er nicht gut klar – er ließ die Ladenbesitzer immer soviel nehmen, wie sie wollten.
    Sharons Mutter schaute auf die Münzen. »Aber Sie haben ja nur acht Pence«, sagte sie.
    »Is’ nicht genug, was?«
    Sie seufzte. »Nein, tut mir leid.«
    »Tja«, sagte Billy, »könnte ich dann wohl einen Kaugummi bekommen?«
    Die Frau legte das Messer wieder ins Schaufenster und nahm ein Päckchen Kaugummi von einem Regal. »Sechs Pence.«
    Billy drückte ihr die acht Pence in die Hand, und die Frau zählte sechs Münzen ab.
    »Danke«, sagte Billy. Er trat hinaus auf die Straße, riß das Päckchen Kaugummi auf und steckte sich wie immer alle Streifen auf einmal in den Mund. Fröhlich kauend schlenderte er dann ziellos weiter; denn im Augenblick hatte er wieder einmal vergessen, wohin er wollte.
    Er blieb stehen und schaute einigen Bauarbeitern zu, die ein Loch in den Bürgersteig gruben. Die Köpfe der Männer waren auf einer Höhe mit Billys Füßen. Voller Interesse stellte Billy fest, daß die Wände der Grube mit zunehmender Tiefe eine andere Farbe annahmen. Ganz oben, wo die Platten gelegen hatten, war eine Schicht aus gelbem Sand; dann kam ein Streifen schwarzes Zeug, das wie Teer aussah, dann lockere braune Erde und dann feuchter Lehm. Auf dem Boden der Grube lag ein Rohr aus sauberem neuem Beton. Warum legten diese Männer ein Rohr unter den Bürgersteig? Billy hatte keine Ahnung. Er beugte sich über die Grube und rief hinunter: »Warum legt ihr ein Rohr unter den Bürgersteig?«
    Einer der Arbeiter schaute zu ihm hoch und sagte: »Wir verstecken es vor den Russen.«
    »Ach so.« Billy nickte eifrig, als hätte er begriffen. »Danke.« Nach einem letzten Blick auf das Rohr ging er weiter.
    Er hatte Hunger. Aber er glaubte zu wissen, daß noch irgend etwas zu erledigen war, bevor er sich auf den Nachhauseweg machen konnte, um zu Mittag zu essen. Mittagessen? Er hatte doch schon ein Paket Kekse gegessen, weil Pa im Krankenhaus lag. Und daß Pa im Krankenhaus lag, hatte irgendwas damit zu tun, daß er, Billy, sich jetzt in Bethnal Green befand. Billy dachte nach, konnte die Verbindung aber nicht herstellen.
    Er bog um eine Hausecke, blickte auf den Straßennamen auf einem Schild, das hoch oben an der Wand befestigt war, und stellte fest, daß er sich in der Quill Street befand. Plötzlich fiel es Billy wieder ein. Hier wohnte Tony Cox – im Haus Nummer neunzehn. Er, Billy, würde an die Tür klopfen, und dann …
    Nein. Billy wußte selbst nicht warum, doch er war sicher, daß es besser war, sich durch die Hintertür ins Haus zu schleichen.
    Hinter den Häusern verlief eine schmale Gasse, wie Billy feststellte. Er schlenderte sie entlang, bis er an ein Gartentor hinter dem Haus von Tony Cox gelangte.
    Billys Kaugummi hatte allen Geschmack verloren, deshalb nahm er ihn aus dem Mund und warf ihn weg, bevor er leise den Riegel am Gartentor zur Seite schob und verstohlen hindurchging.

27

    Tony Cox fuhr langsam über die zerfurchte, matschige Rüttelpiste, mehr aus Rücksicht auf sein eigenes Wohlbefinden als auf das des ›geliehenen‹ Wagens und dessen Eigentümer. Die

Weitere Kostenlose Bücher