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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verwandelte.
    Pater Sebastian kam, um ein Gebet für Agnes und das Ungeborene zu sprechen. Dann schickten ihn die Frauen hinaus, und er schien nur froh zu sein, etwas so Anstößigem wie einer Geburt entrinnen zu können.
    Marthe bat Agnes, sich aufs Bett zu legen, und untersuchte sie sorgfältig, nachdem sie sich gründlich die Hände gewaschen hatte.
    »Es wird noch dauern. Wenn du willst, kannst du noch umhergehen, das macht es leichter.«
    Die Frauen hatten Agnes inzwischen das Haar gelöst und alle Kleidungsstücke bis auf ein Leinenhemd ausgezogen, damit kein Knoten die Geburt erschwerte.
    Agnes war blass, aber sie hielt sich tapfer, während Marthe ihr Mut zusprach.
    Es war noch Zeit, sie konnte sie vorerst den anderen Frauen überlassen, um unbeobachtet mit Tilda zu sprechen, der die Christiansdorfer Huren die Führung des Hurenhauses anvertraut hatten. In Tücher gehüllt war sie gekommen, so dass niemand sie erkannte. Rasch zog sich Marthe mit ihr hinter das Haus zurück.
    »Die einzigen Fremden, die sich bisher bei uns blicken ließen, gehören zu den neuen Leuten des Burgvogts«, berichtete Tilda flüsternd. »Wir könnten schon mehr Kunden gebrauchen. Seit dieser neue Pater hier im Dorf ist und Tag für Tag gegen uns wettert, trauen sich die meisten nur noch heimlich her, und mancher bleibt ganz aus. Aber so etwas wie die …« Tilda schauderte und bekreuzigte sich. »Verrohtes Volk. Sie haben mir gestern eines der Mädchen so zuschanden gemacht, dass sie mindestens eine Woche nicht arbeiten kann. Und Ihr dürft uns jetzt nicht mehr helfen, wo Euch der neue Pater so zusetzt.«
    Marthe überlegte kurz. »Wenn ich kann, komme ich heute Nacht kurz vorbei. Schließ die Tür nicht ab und sag dem Mädchen, dass es wach bleiben soll.«
    Die Hurenwirtin war hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Sorge. »Gott segne Euch! Wir halten weiter die Augen offen. Wenn ein Fremder auftaucht, schicke ich jemanden, der Euch gleich Bescheid gibt. Wir fürchten uns auch vor einem Überfall.«
    Als Tilda gehen wollte, hielt Marthe sie noch für einen Augenblickzurück. »Mich beschäftigt seit einiger Zeit etwas, das ich fast ein Jahr lang vergessen hatte. Wer war das blutjunge Mädchen, das damals mit deinen Gefährtinnen in mein Haus kam? Und wer hat sie so fürchterlich verprügelt?«
     
    Tildas zögernd vorgebrachte Enthüllung verursachte einen inneren Aufruhr in Marthe. Am liebsten hätte sie Christian sofort davon erzählt. Doch das musste warten; jetzt brauchte Agnes ihre ganze Aufmerksamkeit.
    Die Wehen waren noch nicht viel stärker geworden. Aber Marthe merkte der jungen Frau an, dass ihre Angst vor dem Kommenden immer größer wurde, und beschloss deshalb, sie nun nicht mehr allein zu lassen.
    Sie ging nur noch rasch in ihr Haus, suchte eine ganz bestimmte Tinktur und beauftragte Peter, sie ins Hurenhaus zu Tilda zu bringen. Die würde wissen, wie die Medizin anzuwenden war. Und für Peter war es ein Leichtes, unbemerkt irgendwohin zu huschen.
    Als der Morgen graute, entband Marthe Agnes von einem gesunden Jungen.
    »Ist er nicht wunderschön?«, meinte Agnes und weinte vor Erschöpfung und Glück, während sie ihr Neugeborenes anlegte. Nachdem Agnes frisch hergerichtet und die Kate aufgeräumt war, riefen die Frauen Karl herein und gratulierten dem frischgebackenen Vater.
    Gerührt und unbeholfen nahm der junge Schmied das winzige Wesen in seinen Arm, um es dann eilig der Mutter zurückzugeben. Er küsste Agnes’ Wange, zog einen Schemel heran, setzte sich neben sie und nahm schweigend ihre Hand.
    Entschlossen schob Marthe die Frauen nach draußen, damit die jungen Eltern einen Augenblick für sich haben konnten.
    Doch schnell holte die Wirklichkeit sie wieder ein. Pater Sebastiankam, um das Neugeborene zu taufen und sich davon zu überzeugen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen war.
    Karl und Agnes hatten Marthe und Christian gebeten, Taufpaten zu sein, und natürlich hatten diese ihr Einverständnis gegeben. Christian schenkte dem Patenkind eine Pfennigschale voll Münzen und gratulierte den jungen Eltern von Herzen.
    Dann wollte er wieder zu Herwart gehen, doch Marthe hielt ihn zurück. Leise berichtete sie ihm von der Enthüllung der Hurenwirtin. »Ist das ganz sicher? Es gibt keinen Zweifel?«, hatte Christian gefragt, und Marthe nickte. Das verzweifelte Mädchen hatte sich damals in ihrer Not Tilda anvertraut, damit die ihr beistand.
    »Ich hätte sie schon viel früher danach fragen sollen.

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