Die Spur der Hebamme
dem Gebüsch getreten war. Die Fremden berieten sich kurz, blickten um sich und liefen dann geduckt Richtung Dorf.
»Dreistes Pack! Sich ausgerechnet direkt am Wachhaus vorbei hier einschleichen zu wollen«, knurrte Herwart. Aber aus seinen Worten sprach unverhohlene Zufriedenheit, dass Christians Plan aufgegangen war, mögliche Angreifer auf bestimmte, gut zu überwachende Wege zu zwingen.
In diesem Moment schob sich eine Wolke vor die schmale Mondsichel, und vorübergehend waren die Eindringlinge nicht mehr zu erkennen. Doch wenig später bemerkte Christian eine verstohlene Bewegung nahe dem Hurenhaus. Die Fremden waren hinter dem Haus vorbeigeschlichen und bewegten sich nun Richtung Nicolai-Viertel.
Wollten sie sich das Silber lieber aus den Truhen der Kaufleute holen – oder war das ein Ablenkungsmanöver?, überlegte Christian und traf schnell eine Entscheidung. »Lukas, Kuno, ihr kommt mit mir. Ihr anderen bleibt hier. Das ist vielleicht nur die Vorhut.«
Kuno strahlte, unverkennbar stolz. Würde er heute seinen ersten echten Kampf Mann gegen Mann erleben? Ein merkwürdiges Kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus.
Leise folgten die drei in gebührendem Abstand den Eindringlingen. Doch bald mussten sie näher heranschleichen, um sie nicht in den Gassen zwischen all den Häusern zu verlieren. Dabei stießen, wie von Christian erwartet, Peter und Bertram zu ihnen. »Ich glaube, sie wollen zum Haus des Bergmeisters«, wisperte Peter.
»Gut gemacht. Und nun ab nach Hause mit dir«, sagte Christian leise zu dem Jungen, während er Bertram bedeutete, sich ihnen anzuschließen.
Die Stille der Nacht wurde durch das Gekläff zweier Hunde zerrissen. Weiter entfernt stimmten ein paar Hunde in das Gebell ein. In einem der Häuser ganz in der Nähe erklang ein dumpfes Muhen. Christian und seine Männer nutzten den Lärm, um ungehört ihre Schwerter aus den Scheiden zu ziehen.
Die Eindringlinge bewegten sich tatsächlich auf das Haus des Bergmeisters zu. Sie lauschten einen Moment, ob drinnen alles still war, dann zerschnitt einer der Fremden das ölgetränkte Leinen, mit dem die Fensteröffnung verschlossen war.
Zwei Männer hievten den dürren Burschen hoch, der sich wie ein Aal durch den schmalen Spalt wand, den jeder andere für zu klein gehalten hätte, als dass ein Mensch hindurchpassen könnte.
Lukas hob das Schwert und sah Christian auffordernd an, das Signal zu geben, damit sie endlich losstürmen konnten. Doch Christian schüttelte den Kopf. Augenblicke später glomm ein spärliches Licht im Haus auf, dann hörten sie, wie der Riegel von innen zurückgeschoben wurde. Erst als die drei anderen Diebe ins Haus geschlüpft waren und die Tür wieder hinter sich geschlossen hatten, ohne den Riegel vorzuschieben, bedeutete Christian seinen Begleitern, ihm zu folgen. Mit erhobenen Schwertern standen sie vor der Tür. Von drinnen waren leise Geräuschezu hören, ein hastiges Wispern und das Scharren, mit dem Bänke und Truhen vorsichtig beiseite gerückt wurden.
Christian warf einen kurzen Blick auf Lukas, Kuno und Bertram, dann nickte er ihnen zu. Krachend trat er die Tür auf und stürmte ins Haus. Im gleichen Augenblick war ein erstickter Schrei zu hören.
Einer der Diebe hatte sich Bertha, die Haushälterin des Bergmeisters und Mutter des kleinen Christian, geschnappt, hielt ihr mit einer Hand den Mund zu und setzte ihr mit der anderen einen Dolch an die Kehle.
»Weg mit den Schwertern, oder ich steche sie ab«, drohte der gebrandmarkte Fremde, und seine hasserfüllte Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte.
Bertha hatte vor Angst die Augen weit aufgerissen und gab einen gequälten Laut von sich.
Christian ließ sein Schwert sinken und wechselte es mit einer langsamen Bewegung von der rechten in die linke Hand, ohne den Gebrandmarkten aus den Augen zu lassen.
»Nur ruhig«, rief er und beugte sich vor, als ob er das Schwert auf den Boden legen wollte. Doch mitten in der Bewegung richtete er sich blitzschnell auf und trat dem Fremden mit vollem Schwung gegen den Ellbogen, so dass der Mann vor Schmerz aufschrie und sein Messer fallen ließ. Christian riss Bertha aus der Gewalt des Gebrandmarkten, schob sie hastig beiseite, dann stürmten er und seine Männer auf die Eindringlinge los.
Der Kampf war schnell vorbei. Kuno gelang es noch, den Jungen an den Beinen zu packen, der durch das schmale Fenster fliehen wollte, und ihn zurück in den Raum zu zerren. Als er vor ihm lag, erkannte
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