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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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davon hielt, sich unter den misstrauischen Blicken des unbeliebten Paters behandeln zu lassen, und lieber nur eines der Kinder oder eine Magd zu ihr schickte, um eine Arznei abzuholen.
    Die Mitglieder ihres Haushaltes teilten die allgemeine Abneigunggegen Sebastian – immerhin hatten sie ihn auch schon als Sigruns Beichtvater erlebt – und überhäuften sie weiter mit heimlichen kleinen Sympathiebekundungen, wenn er hinter ihr herschnüffelte.
    »Soll ich ihm aus Versehen vor die Füße rennen?«, wisperte ihr Peter zu, als er von einem seiner Streifzüge zurückkehrte, um der Köchin etwas zu essen abzuschwatzen. Und Mechthild goss in jeden Becher Bier, den sie Sebastian reichte, reichlich Wasser und fragte mit gespielter Unterwürfigkeit, ob es denn auch dünn genug sei, um nicht zu Völlerei zu führen.
    Dennoch, bald wurde der Kopfschmerz so übermächtig, dass Marthe kaum noch einen Gedanken fassen konnte. Immer häufiger hatte sie das Gefühl, nicht Sebastian, sondern das Raubvogelgesicht würde mit ausgestreckten Klauen hinter ihr stehen. Sie erwartete, jeden Augenblick die schnarrende Stimme zu hören: »Sie ist eine Hexe. Brennt sie!«
    Und obwohl sie sich nun jeden Abend einen starken Schlaftrunk braute, um überhaupt noch Ruhe zu finden, schreckte sie nachts oft mit einem gellenden Schrei auf.
    Christian zog sie dann in seine Arme und redete beruhigend auf sie ein. Bis sie wenig später erneut aus einem Alptraum auffuhr.
    Aus den Wortfetzen, die sie in ihren Träumen schrie, erriet Christian, vor wem sie sich fürchtete. »Der Mann mit dem Raubvogelgesicht wird dir nichts mehr tun«, versicherte er ihr mit ruhiger Gewissheit. »Niemandem mehr.«
    Fragend sah sie zu ihm auf. Doch sie ahnte, dass er nicht mehr sagen würde. Es gab Dinge, die selbst zwischen Eheleuten ungesagt bleiben mussten.
    Als sei das alles noch nicht genug, traf am nächsten Tag Randolf im Dorf ein, um sich hier dauerhaft als Burgvogt niederzulassen.
    Mit Randolf kamen neben etlichen Bediensteten auch seine Frau, sein vierjähriger Sohn und die beiden Beauftragten des Markgrafen, die die Abgaben für die Dorfbewohner festlegen sollten.
    Meister Josef, der Tuchhändler und Dorfälteste, eilte dem Burgvogt mit einem Willkommenspokal entgegen. Randolf nahm einen tiefen Schluck, verzog das Gesicht und reichte den Becher an seine Begleiter weiter.
    Beflissen verbeugte sich der Tuchhändler. »Wenn Ihr wollt, hoher Herr, seid Ihr und Eure Gemahlin in meinem bescheidenen Haus hochwillkommen. Falls Ihr die Güte habt, werde ich sofort veranlassen, dass Euch ein Mahl bereitet wird.«
    Randolf musterte den Dorfschulzen knapp, bedeutete ihm zu warten und brüllte eine Reihe Befehle an seine Leute. Dann folgte er Josef zusammen mit seiner Familie und seinen hochrangigen Begleitern.
     
    In den Tagen danach trafen noch zwölf von Randolfs Rittern mit ihren Knappen ein, einige auch mit Familie, und bevölkerten das Burglehen.
    Dank des kurzen Winters waren die neuen Häuser schon so gut wie fertig, ebenso Randolfs Wohn- und Amtssitz gleich neben dem Bergfried. Der ragte mittlerweile bereits zwei Mannshöhen aus dem Boden.
    Die Wachen hatten ihren Platz im Erdgeschoss des Turms, dessen Mauern fast zehn Fuß dick waren. Später sollte im Turm eine Silberkammer eingerichtet werden. Doch solange der Bergfried noch eingerüstet war, konnte er nicht für seinen eigentlichen Zweck genutzt werden. Er sollte künftig nur über Leitern von außen betreten werden können, die im Falle eines Angriffs eingezogen wurden.
    Unter der jetzigen Wachstube befand sich gerüchteweise einVerlies, und so mancher Dorfbewohner stellte schon düstere Überlegungen an, wer von ihnen wohl als Erster Bekanntschaft mit dem finsteren Loch machen würde.
    Randolf trieb die Bauleute an, um die Arbeiten am Turm zu beschleunigen. Und er ließ stets zwei bis zu den Zähnen bewaffnete Männer die Arbeiten am Wall überwachen, den die Dorfbewohner um das entstehende Gebäudegeviert errichteten, in dessen Mitte der Bergfried stand.
    Währenddessen machte Richenza den Mägden das Leben zur Hölle, die sie sich im Dorf ausgesucht hatte und die ihre eigene Dienerschaft vervollständigten.
    Schaurige Gerüchte flatterten durchs Dorf wie trockenes Laub im Herbst: dass sie eines der Mädchen in einem Wutanfall wegen eines geringen Vergehens halb totgeschlagen hatte und die Kleine, die erst acht Jahre alt war, tagelang nicht laufen konnte, dass sie das Gesinde nur zu gern mit der Reitgerte

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