Die Spur der Hebamme
prallte mit voller Wucht gegen seine Schulter. Er verlor den Halt und stürzte nach hinten, während sein rechter Fuß noch im Steigbügel hing, so dass ihn das galoppierende Pferd mit sich schleifte.
Ein vielstimmiger Aufschrei ertönte. Christian zögerte keinen Augenblick, sondern sprang von der Tribüne, rannte dem Pferd entgegen und brachte es mit aller Kraft zum Stehen.
Dann löste er den Fuß seines Schützlings aus dem Steigbügel und bettete ihn vorsichtig auf den staubigen Boden.
Aus Konrads Mundwinkel sickerte ein schmales Rinnsal Blut.
Helfer kamen herbeigerannt, um ihn zum Feldscher zu tragen, doch Marthe zwängte sich zwischen ihnen hindurch. »Lasst mich erst sehen, ob er überhaupt bewegt werden darf!«
Auf einen Blick von ihr schob Christian die Helfer zurück. Marthe kniete an Konrads Seite nieder und fasste nach seiner Hand. »Kannst du sprechen?«
»Tut weh …«, röchelte Konrad, und rosa Schaum trat auf seine Lippen.
Bemüht, sich nichts von ihrer Verzweiflung anmerken zu lassen,richtete sich Marthe auf. »Schafft ihn zum Wundarzt! Aber vorsichtig! Legt ihn auf eine harte Unterlage, am besten auf ein breites Brett!«
Inzwischen war auch Markgraf Dietrich gekommen und richtete mit einem einzigen, verzweifelten Blick seine stumme Frage an Marthe.
Sie wandte sich ab, damit Konrad sie nicht sehen konnte, und sagte leise: »Wie es aussieht, ist seine Lunge durchbohrt. Vielleicht von einer Rippe, vielleicht von einem Stück Lanze.«
Sie zögerte. »Ich weiß noch nicht, wie schwer die Verletzung ist … Aber … Ihr solltet einen Priester holen.«
Fassungslos starrte Dietrich sie an. Dann drehte er sich zu Christian um: »Sprecht mit meinem Bruder … er muss einen Priester gewinnen. Ich will meinen Sohn jetzt nicht allein lassen.«
Christian nickte und lief wortlos zur Tribüne. Otto und Hedwig waren von ihren Plätzen aufgesprungen und hörten entsetzt zu, was er berichtete.
Jeder von ihnen wusste, dass sich kein Geistlicher bereit erklären würde, Konrad die Beichte abzunehmen und den Trost der Sterbesakramente zu gewähren. Turnierteilnehmer standen unter Kirchenbann, ihnen wurde sogar ein christliches Begräbnis verwehrt, wenn sie beim Wettkampf starben. Das bedeutete ewige Verdammnis.
Otto und Hedwig tauschten einen Blick im stummen Einverständnis, dann ließ sich Hedwig von Christian zu Dietrich und Konrad begleiten, während Otto in Begleitung seiner anderen Brüder den Geistlichen aufspüren ging, der am Morgen Konrads Waffen gesegnet hatte. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte er ihn zu sich gerufen, aber diesmal musste er ihn wohl selbst und zu Fuß aufsuchen, wenn er vor dem Mann Gottes Gnade für seinen Neffen finden wollte.
Marthe bangte mit jedem Moment mehr um Konrads Leben. Auch der Wundarzt hatte erklärt, nichts für den jungen Markgrafen tun zu können. »Entweder es heilt, oder er stirbt«, erklärte er finster.
Dietrich kniete am Lager seines Sohnes, hielt seine Hand und sprach leise zu ihm.
Marthe und Christian hatten sich ein paar Schritte zurückgezogen, um ihnen diesen Moment der Vertrautheit zu gewähren, starrten auf den Eingang des Zeltes und warteten, ob ein Priester kommen würde oder nicht.
Hedwig stand mit tränenüberströmtem Gesicht neben ihnen. Sie mochte Konrad nicht nur deshalb, weil er das jüngere Ebenbild seines Vaters war. Oft hatte sie sich gewünscht, dass ihr Ältester, Albrecht, auch nur halb so viel ritterliches Verhalten an den Tag legen würde wie sein Vetter Konrad.
Endlich wurde der Zelteingang zur Seite geschlagen, und gemeinsam mit Otto und seinen Brüdern trat ein Geistlicher ein.
Ohne sich mit Fragen aufzuhalten, stellte er sich neben den Schwerverletzten.
»Du weißt, mein Sohn, dass du gegen das Gebot der Kirche verstoßen hast und ich dir keine frommen Segnungen spenden darf?«, fragte er streng.
Konrad wollte etwas sagen, bekam aber nur ein Röcheln zustande.
»Ich bitte Euch, Pater, habt ein Nachsehen mit meinem Sohn!«, flehte Dietrich, der nur noch mit Mühe an sich halten konnte. »Er hat die ganze letzte Nacht gebetet und gefastet, er hat gebeichtet und Absolution für seine Sünden erteilt bekommen. Gewährt ihm jetzt die letzte Gnade, schließt ihn von dem Kirchenbann aus, damit ihm ein christliches Begräbnis zuteil wird, falls der Herr ihn abberuft! Ich schwöre, weder er noch ichwerden je wieder an einem Turnier teilnehmen, sollte er durch Gottes Barmherzigkeit am Leben bleiben!«
»Er ist doch noch so
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