Die Spur der Hebamme
Wettkampf fernzuhalten. Also hatte er schweren Herzens auf das Kampfglück seines Sohnes und sein Geschick vertraut und stumm ein inbrünstiges Gebet gesprochen.
Nun wollte er nichts mehr, als seinen Sohn in die Arme zu schließen und ihm zu sagen, wie stolz er auf ihn war.
Doch im Zelt fand er ihn nicht vor. Dort stand nur jener Bursche, der einst einen Teil seiner Knappenzeit gemeinsam mit Konrad bei Christian verbracht hatte. Jakob, erinnerte sich der Landsberger.
»Wo ist mein Sohn?«, fragte er ungeduldig.
Der Knappe wurde noch blasser, als er ohnehin schon war, und sank auf ein Knie. »Verzeiht mir, hoher Herr … er hat sich einfach nicht aufhalten lassen …«
»Aufhalten – wobei? Kannst du mir nicht vernünftig Rede und Antwort stehen?!«
Nun wich das letzte bisschen Blut aus Jakobs Zügen. »Er will sich melden … zum Lanzenstechen …«
Für einen Augenblick erstarrte Markgraf Dietrich, dann stürmte er aus dem Zelt. Dort traf er schon nach wenigen Schritten auf Marthe, Christian und Lukas.
»Kommt schnell, wir müssen meinen Sohn aufhalten«, rief ihnen Dietrich zu. »Er will tjosten! Wir müssen den Turniervogt sprechen, bevor Konrad eine Dummheit begeht und sich für einen Zweikampf meldet!«
Marthe konnte einen Angstschrei nicht unterdrücken, die beiden Ritter kehrten sofort um und begannen, durch die Menschenmenge einen Weg für den Markgrafen zu bahnen.
Doch sie kamen zu spät. Noch bevor sie nah genug an der Kampfbahn waren, hörten sie die Stimme des Ausrufers.
»Zum Zweikampf mit der Lanze gemeldet hat sich der Edle Konrad, Sohn des Markgrafen der Ostmark, heute in den Stand eines Ritters erhoben und soeben bereits ruhmreich im Buhurt bewährt!«
Während die Zuschauer jubelten, drängten sich Dietrich und seine Begleiter zur Tribüne durch. Verzweifelt begann Dietrich auf seinen Bruder einzureden. »Du musst das verhindern! Er hat sich heute ehrenhaft geschlagen, das muss genügen!«
Inzwischen rief der Turniervogt Konrads Gegner in die Schranken, einen unbekannten Ritter, der eigens aus Schwaben zu diesem Turnier angereist war.
Dietrich und Christian, beide erfahren im Kampf, sahen sofort,dass dieser Mann ein gefährlicher Gegner war. Er hatte einen massigen Körper und damit viel Kraft, einen Entgegenreitenden aus dem Sattel zu heben, und sein Pferd schien ihm auf Schenkeldruck zu gehorchen.
Sie tauschten einen zutiefst beunruhigten Blick. Doch es gab jetzt kein Zurück mehr für Konrad. Wenn angesichts dieses Gegners der Kampf abgesagt wurde, würde sofort der Vorwurf der Feigheit die Runde machen.
Jeder der beiden Reiter ließ sich eine Lanze mit einem stumpfen Krönchen statt einer Spitze reichen.
»Der Edle Konrad hat verkündet, zu Ehren der Dame Marthe zu reiten, der Gemahlin des Ritters, der ihn erzog. Der Edle Kilian widmet seinen Kampf der hohen Frau Hedwig, der schönen Gemahlin unseres Fürsten«, gab der Ausrufer bekannt.
Hedwig und Marthe, die eine zutiefst besorgt, die andere in Todesangst um Konrad, mussten den Gepflogenheiten Genüge tun. Sie erhoben sich von ihren Plätzen und warteten, dass die Kontrahenten zur Tribüne ritten und vor ihnen ihre Lanzen senkten.
»Gott schütze dich«, flüsterte Marthe. Konrad strahlte sie an, und sie gab sich alle Mühe, zurückzulächeln, um den jungen Ritter nicht durch ihre Angst zu verunsichern.
Beide Gegner wendeten ihre Pferde und ritten zu ihren Ausgangspositionen. Ein Wimpel wurde gesenkt, dann setzten sie ihre Hengste in Bewegung und ritten mit waagerecht ausgestreckten Lanzen aufeinander zu, von denen jede mehr als eine Pferdelänge maß.
Marthe wusste von Christian, dass es zwei Möglichkeiten gab, den Gegner aus dem Sattel zu heben: entweder auf Kopf oder Hals zu zielen, die bei dem Tempo der Pferde und dem Gewicht der Lanze sehr schwer zu treffen waren, oder auf die Schwachstelledes Schildes: dort, wo der Griff angebracht war. Entweder stürzte der Gegner, oder die Lanze zerbrach, was in beiden Fällen den Sieg bedeutete.
Unbewusst hielt sie die Luft an, und Hedwig und Dietrich blieben nur mit Mühe auf ihren Plätzen sitzen.
Im ersten Durchgang gelang keinem der Wettkämpfer ein Treffer. Die Zuschauer schrien und stöhnten vor Aufregung, als die Reiter sich nur knapp verfehlten.
Konrad und der Schwabe wendeten und nahmen erneut innerhalb der Schranken Aufstellung.
Wieder ritten sie an, und diesmal trafen beide zugleich. Konrads Lanze zersplitterte am Schild des Kontrahenten, doch dessen Lanzenkrone
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