Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
frühzeitig lernen, sich durchzusetzen und seine Macht zu gebrauchen.«
    »Gebrauchen, nicht missbrauchen«, mahnte Dietrich. »Ich wünsche mir wie du, dass mein Neffe einmal stark und gerecht über die Mark Meißen herrscht. Aber sein derzeitiger Charakter lässt fürchten, dass ihm die dafür nötigen Tugenden noch fehlen.«
    »Tugenden!«, ereiferte sich Otto. »Du tust so, als ob man ein Land beherrschen könnte, indem man nett zu den Bauern ist. Du solltest es doch besser wissen, Bruder. Dann lachen sie dich aus und betrügen dich um die Abgaben. Sie müssen ihren Fürsten fürchten, um zu gehorchen.«
    »Aber nicht hassen. Worüber will jemand herrschen, der seine Bauern zu Tode schindet und sein Land verwüstet?«
    »Albrecht ist nun mal kein Schwächling, Gott sei es gelobt. Alles andere wird sich schon auswachsen mit seiner Erziehung zum Ritter«, meinte Otto unwirsch.
    »Ich hoffe, du behältst recht«, erwiderte Dietrich. »Und ich hoffe sehr, dein ältester Sohn ist einmal geduldig genug, um zu warten, bis er sein Erbe antreten kann.«

Die Rückkehr
    Marthe hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Dennoch ließ der Anblick ihr Blut gefrieren.
    »Was wollt Ihr?«, fuhr sie den Besucher an, der sich am Gesinde vorbei in ihre Halle gedrängt hatte und sie nun mit einem Lächeln ansah, das seine eiskalten blauen Augen nicht erreichte. Sofort schob sich Richard vor sie und legte die Hand an den Griff seines Schwertes.
    »Welch unhöfliche Begrüßung für einen Pilgerfahrer, der von allen Sünden befreit ist«, protestierte der weißblonde Hüne und trat immer noch kalt lächelnd näher.
    Richard zog sein Schwert.
    Mit Not unterdrückte Marthe den Impuls, vor Randolf zurückzuweichen. Sie wollte von ihrer Angst nichts zeigen und schon gar nicht mit dem Rücken an der Wand stehen, wenn dieser Mann mit ihr in einem Raum war.
    Herwarts Männer stürmten mit gezogenen Waffen herein.
    Randolf ignorierte die Bewaffneten und hielt Marthe demonstrativ die leeren Handflächen entgegen. »Ich will nur meinen Antrittsbesuch machen. Auf gute Nachbarschaft anstoßen. Über alte Zeiten plaudern …«
    »Braucht Ihr Hilfe, Herrin?«, fragte Herwart.
    »Es ist gut. Ihr könnt alle gehen«, entgegnete Marthe.
    Die Ankündigung Randolfs, über alte Zeiten reden zu wollen, hatte sie mehr als alles andere erschreckt. Niemand durfte erfahren, was Christians mächtiger Feind ihr vor Jahren angetan hatte.
    »Bist du sicher?«, fragte Richard beunruhigt. Seine Befehle lauteten anders.
    »Bitte, warte vor der Tür, bis ich dich rufe«, sagte sie rasch.
    »Wir bleiben ganz in der Nähe, Herrin«, erklärte Herwart. Verunsichert zogen seine Leute ab, gefolgt von Richard, der misstrauisch zurückblickte und sich dann mit gezogenem Schwert hinter der Tür postierte.
    »Herrin sagen sie zu dir?«, meinte der Weißblonde spöttisch, als sie allein waren. »Ich vergaß … Durch eine Laune des Markgrafen bist du ja neuerdings eine Dame. Aber immer noch Manieren wie ein Bauernweib. Willst du nicht deinen Gast und künftigen Nachbarn mit einem Willkommenstrunk bewirten?« Ungeniert ging Randolf zum Tisch, griff nach dem Krug, der dort stand, und schenkte sich ein.
    »Ihr seid hier nicht willkommen«, stieß Marthe hervor.
    Der Hüne ignorierte ihre Antwort, nahm einen kräftigen Schluck und stellte den Becher ab.
    »Das Bier ist schon immer gut gewesen in diesem Dorf. Einer seiner Vorzüge«, sagte er und machte zwei Schritte auf sie zu.
    »Keinen Schritt näher«, warnte Marthe.
    Kalt lächelnd blieb Randolf stehen und betrachtete sie. »Immer noch rank und schlank und schöner denn je«, sagte er. »Und immer noch so spröde.«
    Ein Schauder lief Marthe über den Rücken, während in ihrer Erinnerung die furchtbaren Szenen aufflackerten, die gefolgt waren, wenn er sie einst so angesehen hatte. Ihr war, als müsste sie jede schreckliche Einzelheit noch einmal durchleben: Wie sein Gewicht ihr die Luft aus den Lungen presste, während sichspitze Steine in die bloße Haut ihres Rückens bohrten, den unbeschreiblichen Schmerz, als er in ihren Leib stieß, den grunzenden Laut, mit dem er sich in sie ergoss … Und wie er schließlich, als sie dachte, ihre Qual wäre endlich vorbei, seinen Kumpanen, die ihn mit höhnischen Rufen angefeuert hatten, zurief: »Jetzt könnt ihr sie haben.«
    »Keine Angst, meine Schöne, ich werde dir nichts tun«, meinte der ungebetene Besucher. »Dir nicht und auch nicht Christian. Ich musste Otto einen Eid

Weitere Kostenlose Bücher