Die Spur der Hebamme
näher als zwanzig Schritte gekommen bin.«
Lachend stieß er die Tür auf, blieb vor Richard stehen und hobdie Hände. »Ruhig Blut, es ist nichts geschehen. Ein rein freundschaftlicher Besuch.«
Zwei Tage nach Randolfs Auftauchen kam Christian vom Hoftag zurück. Die Befehle des Markgrafen hatten ihn länger, als ihm lieb war, in Goslar festgehalten, dann jedoch hatte er Lukas und seinen Knappen in einem Gewaltritt nach Hause getrieben. Gero würde derweil zusammen mit den Reisigen die Goslarer Bergleute nach Christiansdorf führen.
Noch bevor Christian abgesattelt hatte, erfuhr er vom Auftauchen seines Feindes.
»Lasst uns allein«, befahl er mit versteinertem Gesicht, während er das Haus betrat. Als nur noch Marthe im Raum war, packte er sie beim Arm. »Was ist in dich gefahren? Ich schicke eigens Männer, um dich zu beschützen, und du setzt dich allein diesem Ungeheuer aus! Reicht es denn nicht, was er dir schon angetan hat?«
Die Heftigkeit seines Ausbruchs verstörte Marthe zutiefst.
Noch nie hatten sie so gestritten.
»Er hat gedroht, vor allen darüber zu sprechen. Das konnte ich nicht zulassen«, verteidigte sie sich leise, während ihr Tränen in die Augen stiegen. Womit Randolf noch gedroht hatte, verschwieg sie wohlweislich.
In Christians Gesichtsausdruck deutete nichts auf ein Einlenken hin. Sie wischte sich über die Augen und versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken und ruhig zu sprechen. »Richard war nur wenige Schritte entfernt. Er wäre sofort gekommen, wenn Gefahr drohte. Denkst du, mir ist das leichtgefallen? Es geht nicht nur um meinen Schutz, sondern auch um dich.«
»Ich kann auf mich selbst aufpassen«, brauste Christian auf und stürmte nach draußen. Marthe hörte die Stalltür klappen und wenig später einen Reiter davonpreschen. Wohin wollte Christiannoch in der Dunkelheit? Hatte Randolf recht? Konnte Christian nicht länger mit dem Wissen leben, dass ein anderer seine Frau geschändet hatte? Widerte sie ihn an?
Würde er sie verlassen?
Verzweifelt ließ sie den Kopf auf die Arme sinken.
Wenn sie doch mit Josefa sprechen könnte! Die Alte war die Einzige, die vielleicht Rat wüsste. Aber sie war weit weg in Meißen und hatte bisher immer Christians Angebote abgelehnt, in sein Haus zu ziehen und dort ihren Lebensabend zu verbringen.
Das Knarzen der Tür ließ sie zusammenzucken.
»Kann ich reinkommen?«, fragte Lukas. Sie blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen, und nickte.
»Er reitet wahrscheinlich nur ein Stück querfeldein, um den Kopf wieder freizubekommen«, sprach Lukas tröstend auf sie ein. »Das macht er doch immer, wenn ihn etwas beschäftigt.«
Er stellte einen Becher Wein vor sie hin und schenkte sich dann selbst ein. »Hier, das wird dir guttun.«
»Ich vergesse meine Pflichten«, sagte sie beschämt, weil sie versäumt hatte, sich um Essen und Trinken für ihn zu kümmern.
»Schon gut«, meinte Lukas. Vorsichtig wischte er ihr eine Träne von den Wimpern. »Ich werde nachher Mechthild etwas von ihren Vorräten abschwatzen.« Für einen Moment blitzte das schelmische Lächeln in seinem Gesicht auf, das ihr von Anfang an bei ihm aufgefallen war und das sie nicht mehr gesehen hatte, seit Lukas mit der Nachricht von seiner Verlobung zurückgekommen war.
»Er wird sich schon wieder beruhigen.«
Marthe nickte, ohne von seinen Worten überzeugt zu sein.
Der junge Ritter wollte nach ihrer Hand greifen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und getröstet, doch das wäre unschicklich gewesen. Erdurfte sich auch nicht anmerken lassen, was er nun wusste. Doch die schreckliche Vorstellung, wie sich Randolf mit seiner rohen Kraft auf Marthe warf und sie sich zu Willen zwang, ließ ihn nicht mehr los.
»Es wird für alle nicht leicht werden, wenn er auf Dauer wieder ins Dorf einzieht«, sagte er schließlich. »Aber Markgraf Otto hat Randolf und Christian gewichtige Garantien abverlangt, damit es diesmal ohne Blutvergießen abgeht.«
In knappen Worten berichtete er von den Befehlen des Markgrafen.
Marthe stockte der Atem, als sie hörte, wie viel auf dem Spiel stand. In ihren Gedanken sah sie bereits Christians Hand auf dem Richtblock liegen und ein Schwert niedersausen.
»Du traust Randolf?«
Lukas lachte kurz auf. »Natürlich nicht. Obwohl man meinen sollte, dass ewige Verdammnis selbst ihm nicht gleichgültig ist. Es sähe ihm ähnlich, nach einer Hintertür zu suchen. Aber er darf sich nichts
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