Die Spur der Hebamme
zuschulden kommen lassen. Christian allerdings auch nicht. Wie es scheint, müssen wir uns wieder einmal zusammentun, um seinen Hals und seine Schwerthand zu retten. Abgemacht?«
»Abgemacht.« Nun war Marthe etwas leichter zumute. Doch sie fürchtete nach wie vor, was geschehen würde, wenn Christian zurückkam.
Und noch mehr, dass er nicht zurückkam.
Marthe lag schon lange schlaflos im Bett, als Christian endlich ihre Kammer betrat. Es musste tief in der Nacht sein. Im ganzen Haus herrschte Ruhe, so dass sie die nahenden Schritte und seinen leisen Wortwechsel mit Richard vor der Tür hören konnte.
Sie bewegte sich nicht, als er hereinkam. Er setzte sich aufs Bett,seufzte und drehte sich halb zu ihr um. »Ich weiß, dass du wach bist.«
Vorsichtig erhob sie sich. In dem Mondlicht, das durch das Fenster schien, konnte sie seine Konturen erkennen.
»Es tut mir leid«, sagte er schließlich.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte, doch auch Christian schwieg und rieb sich mit den Händen müde über das Gesicht. Schließlich sagte er: »Ich wollte dich davor bewahren. Du solltest ihm nie wieder gegenübertreten müssen. Ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen.«
Sie konnte nur erahnen, was es ihn kosten musste, nicht Genugtuung von Randolf fordern zu dürfen. Dennoch sagte sie: »Ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens verstecken. Fortziehen kannst du nicht, weil du Markgraf Otto den Lehnseid geschworen hast. Und ich will auch nicht, dass wir seinetwegen alles aufgeben – unser Dorf, die Zukunft unserer Kinder.«
»Es zerreißt mich«, gestand er gequält. »Ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll.«
Marthe blieb eine Weile stumm. Dann sagte sie: »Das ist ein Kampf, den du nicht mit dem Schwert führen kannst.«
Endlich drehte sich Christian ganz zu ihr um und sah sie an. »Glaubst du denn, dass wir diese Sache heil überstehen können?«
»Ich weiß es nicht. Aber wir müssen es versuchen. Es geht doch auch nicht nur um mich. Er soll nicht wieder Tod und Verderben ins Dorf bringen. Sind wir nicht alle damals aufgebrochen, um hier ein besseres Leben aufzubauen? Das soll er nicht zerstören dürfen.«
Sie rutschte zu ihm hinüber und schlang ihre Arme um seinen Hals. »Dafür musst du durchhalten.«
Diesmal nahm Christian sie mit einer Heftigkeit, die sie erschütterte. Danach lag sie noch lange wach.
Eine Woche später kam ein Bote ins Dorf und verlangte Christian zu sprechen. Der Ritter absolvierte gerade mit Lukas einen Schaukampf, um Jakob zu demonstrieren, wie viel dieser an Schnelligkeit noch zulegen musste, um in einem Gefecht zu bestehen.
Schwer atmend steckte Christian das Schwert in die Scheide, strich sich das Haar zurück und ging dem Boten entgegen. »Was gibt es?«
»Mein Herr, Ritter Randolf, sendet Euch Grüße«, entgegnete der Reiter. »Er lässt Euch ausrichten, dass er morgen mit den ersten Bauleuten hier eintreffen wird. Ihr seid eingeladen, beim Abmessen des Burglehens und der Grundmauern für den Bergfried dabei zu sein.«
»Wir werden sehen«, antwortete Christian und wies an, dem Boten, der einen halben Tag zu Pferd unterwegs gewesen sein musste, zu essen und zu trinken zu holen.
»Ich soll Euch ausdrücklich ausrichten, dass sich mein Herr strikt an die Befehle des Markgrafen halten wird«, fügte der Bote rasch hinzu, bevor er durstig das Bier hinunterstürzte, das ihm einer der Stallburschen brachte. »Zum Zeichen seines guten Willens wird ihn seine Gemahlin begleiten.«
»Sie ist willkommen«, erwiderte Christian, bevor er den Knappen zu sich rief, um dessen Ausbildung fortzusetzen.
Am Abend lud Christian Karl und Jonas zu sich ins Haus. Die beiden jungen Schmiede waren bei Randolfs letztem Besuch im Dorf auf dessen Befehl fast zu Tode geprügelt worden. Er wollte sichergehen, dass sie den nächsten Tag unbeschadet überstanden und sich nicht provozieren ließen.
Sie hatten sich kaum bei einem Krug Bier niedergesetzt, als eine Magd eintrat und meldete, zwei der Kaufleute aus dem Nicolai-Viertel wünschten Christian zu sprechen.
»Bitte sie herein«, meinte Christian, gespannt darauf, was sie wohl von ihm wollten.
»Meister Josef, Meister Anselm«, begrüßte er den Tuchhändler und den Gewandschneider, zwei der einflussreichsten und wohlhabendsten unter den Geschäftsleuten, die sich seit dem Aufkommen des Bergbaus in seinem Dorf niedergelassen hatten. Es waren hier genug Menschen durch das Silber zu Wohlstand gelangt, um ihnen ausreichend
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