Die Spur der Hebamme
Schuldigen zu suchen sind. Markgraf Otto wird Nachforschungen anstellen. Und Christian wird mich rächen.«
»Nicht mehr schutzlos?«, höhnte Giselbert. »Das wollen wir erst einmal sehen.« Mit seinem massigen Unterleib stieß er anzüglich gegen ihren Körper und grinste. »Ich denke, du hast es nicht vergessen …«
Ekkehart zog ihn von ihr weg. »Hör auf«, sagte er mit gleichgültiger Stimme. »Sie ist keine Magd mehr. Wenn ihr Kleid zerreißt und sie gefragt wird, was passiert ist, bekommen wir wirklich Ärger.«
Unwillig trat der Feiste einen Schritt zurück.
Elmar griff hart nach ihrem Kinn und musterte sie verächtlich.
»Ein schwaches Weib gegen drei im Kampf bewährte Ritter. Was willst du denn tun?« Er drehte sich zu den anderen um.
»Vielleicht sollten wir unserer Drohung etwas mehr Nachdruck verleihen.«
»Lass sie gehen«, meinte Ekkehart fast gelangweilt. »Sie weiß nun Bescheid. Du wirst schweigen?«
Sie nickte. Erhobenen Hauptes, wenn auch mit weichen Knien, trat sie aus der Kammer, nachdem ihr Ekkehart die Tür geöffnet hatte. Draußen atmete sie tief durch und lief davon, so schnell sie konnte.
Noch etwas, das sie Christian verschweigen musste. Langsam fragte sie sich, wie viele Geheimnisse ihre Liebe wohl vertrug.
Wie immer war der strenge Küchenmeister dabei, von seinem hohen Schemel in der Mitte der Küche aus eine ganze Heerschar von Helfern zu befehligen, die Gänse rupften, Fische ausnahmen, in großen Kesseln rührten oder Brote in dicke Scheiben aufschnitten, die als Unterlage für die Speisen dienten. Und wie immer wunderte sich Marthe darüber, dass jemand in diesem Amt so mager sein konnte.
Als der Küchenmeister sie erkannte, hielt er für einen Augenblick inne und verbeugte sich tief. Er hatte von ihrer ersten Begegnung an eine Schwäche für Marthe, weil sie Hedwigs zweitgeborenen Sohn Dietrich, der als kleiner Junge kränklich gewesen war, Arzneien zubereitet hatte, die schnell gute Wirkung zeigten. Natürlich war es äußerst ungewöhnlich – um nicht zu sagen unschicklich –, dass sich die Frau eines Ritters in die Küche verirrte. Aber auf dem Burgberg wusste so gut wie jeder, dass Marthe in der Heilkunst erfolgreicher war als der Medicus, der früher in Ottos Diensten gestanden hatte. Wenn sie jetzthier auftauchte, konnte das nur bedeuten, dass sie etwas unternehmen würde, damit es der Markgräfin besserging, die unübersehbar unter ihrer Schwangerschaft litt. Eine Fürstin hatte zu strahlen.
Der Küchenmeister verlor deshalb kein Wort darüber, dass jetzt, so kurz vor dem Mahl, seine Leute alle Hände voll zu tun hatten. Er rief eine der Mägde herbei und befahl ihr, alles unverzüglich auszuführen, was Marthe anwies.
Denn eines hatte sich geändert im Vergleich zu Marthes erstem Erscheinen hier: Es war nun undenkbar, dass sie sich selbst ans Herdfeuer stellte. Also erklärte sie der rundlichen Magd, deren Gesicht in der Hitze der Küche glühte und deren Augen vom Rauch tränten, wie sie den Heiltrank zubereiten musste.
Während Marthe zusah, beruhigte sie sich, so gut es ging. Dabei fiel ihr auf, dass diesmal kein Fleisch auf Spießen briet wie sonst, sondern alles in großen Kesseln gesotten wurde. Wohl wegen Ottos Zahnweh. Da sich der Markgraf nicht entschließen konnte, den Bader kommen und den schlimmen Zahn ziehen zu lassen, musste alles Fleisch so weich gekocht werden, dass auch der Markgraf davon essen konnte.
Als die Medizin endlich fertig war, brachte Marthe die fertige Mixtur in Hedwigs Kammer. Dort wartete Susanne schon ungeduldig. »Du bist mit Ritter Christian an die hohe Tafel geladen«, sagte sie hastig. »Beeil dich, das Mahl wird gleich beginnen.«
Sie rückte den schmalen Reif gerade, an dem der zarte Schleier befestigt war, der Marthes Haar bedeckte, bürstete ein paar Staubkörnchen von dem grünen Kleid mit dem rostroten Besatz und schob sie die Treppe hinunter.
Hedwig und Otto standen an einem Ende der großen Halle, mit ihnen Christian, Lukas und ein dunkelhaariger Edelmann, der Marthe den Rücken zuwandte. Als sie sich auf ein ZeichenHedwigs der Gruppe näherte, drehte er sich zu ihr um und begrüßte sie mit einer vollendeten Verbeugung.
»Dame Marthe! Welche Freude, Euch wiederzusehen.«
Marthe sank auf die Knie. »Mein Herr. Meine Herrin. Markgraf Dietrich.«
»Erhebt Euch und seid unser Gast an der hohen Tafel«, gebot Otto.
Dietrich, der ihr am nächsten stand, half ihr auf und lächelte sie dabei ermutigend
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