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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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so fromm war, dann betrachtete sie Tanz und fröhlichen Gesang vielleicht als Blendwerk des Teufels, wie es die meisten Geistlichen taten.
    »Ich singe nicht mehr«, antwortete Ludmillus tonlos. »Ich bin hier, um mich bei den Christiansdorfer Bergleuten zu verdingen. Es heißt überall, das sei der sicherste Weg, um zu Reichtum zu kommen. Und nennt mich Till. Das ist mein wahrer Name.«
    Marthe wollte verwundert etwas entgegnen, aber sie schwieg. Sie spürte so viel Düsternis in Ludmillus’ Worten, dass er sicherlich nicht auf der Straße darüber sprechen wollte.
    Im Haus angekommen, sorgte sie dafür, dass der Spielmann eine warme Mahlzeit und etwas zu trinken bekam. Dann setzte sie sich ihm gegenüber.
    Den Mengen nach, die Ludmillus – oder Till, sie würde einige Zeit brauchen, um sich an den Namen zu gewöhnen – in sichhineinschaufelte, musste seine letzte Mahlzeit länger zurückliegen. Dennoch aß er nicht etwa mit Genuss, sondern schien kaum wahrzunehmen, was er tat.
    »Wenn du willst, rede ich mit dem Bergmeister, dass er dir eine Arbeit zuweist«, sagte Marthe schließlich.
    »Das wäre sehr gütig.«
    Ihr Blick richtete sich unwillkürlich auf seine langen, schlanken Finger, die so geschickt die Laute zum Klingen gebracht hatten.
    »Aber es ist harte, schwere Arbeit. Und niemand kann so wunderbar singen und spielen wie du. Christian würde dich bestimmt gut dafür entlohnen.«
    Ludmillus folgte ihrem Blick. Er legte den Löffel beiseite, hob seine Hände, spreizte die Finger und betrachtete sie, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Dann ließ er die Hände abrupt auf den Tisch sinken.
    »Was nützen mir geschickte Hände, wenn ich damit meine Familie nicht schützen kann?« Er stieß den Atem aus und blickte dann Marthe mit Augen an, in denen jede Hoffnung erloschen war.
    »Meine Frau und meine Tochter sind tot. Hilarius auch. Er wollte sie verteidigen. Und niemand wird die Mörder bestrafen, denn die haben nur ein paar Spielleute erschlagen. Sündige, lasterhafte, unehrlich geborene Spielleute.«
    Er beugte sich vor, und Schmerz und Hass flackerten über sein Gesicht. »Ich kann diese Art von Leben nicht mehr führen. Es hat allen, die ich liebte, den Tod gebracht. Wenn ich in die Minen gehe, wird man mich irgendwann vielleicht als ehrlichen Mann ansehen … Wenn ich ehrlich verdientes Silber und eine feste Wohnstatt habe, wird vielleicht niemand nach meiner Herkunft fragen.«
    Erschüttert erinnerte sich Marthe an die schöne rothaarige jungeFrau und ihre kleine Tochter, an Hilarius, den lustigen Flötenspieler, der so begabt im Verseschmieden war. Sie wollte fragen, was geschehen war, aber sie spürte, dass Ludmillus jetzt nicht mehr darüber sagen würde. Es gab keine Worte, mit denen sie ihn trösten konnte.
    »Bleib erst einmal hier«, schlug sie schließlich vor, da ihr Gegenüber beharrlich schwieg und wieder vor sich hin starrte.
    »Ein Platz zum Schlafen für dich findet sich.«
    Als sie sah, dass Ludmillus’ Gesicht abweisend wurde, fügte sie schnell an: »Du musst nicht singen.«
    Aber es würde deiner Seele guttun, dachte sie. Selbst wenn es die traurigsten Lieder wären, die sie je gehört hatte.
    Ludmillus war als der Sänger berühmt geworden, der die Weinenden zum Lachen und die Lachenden zum Weinen brachte. Jetzt schien jegliches Lachen in ihm erstorben zu sein.
    Der Spielmann bat um Erlaubnis, sich in den Ställen einen Schlafplatz suchen zu dürfen, und machte sich dann auf den Weg dahin.
    Als Christian kam, berichtete sie ihm von der überraschenden Begegnung.
    »Wir können ihn nicht in die Gruben schicken«, pflichtete er ihr bei und stand auf, um den Gast in seinem Strohlager aufzusuchen.
    Ludmillus hatte nicht geschlafen. In finstere Tagträume versunken, fuhr er verstört hoch. Als er Christian erkannte, sank er auch vor ihm auf die Knie und neigte den Kopf.
    »Edler Herr.«
    Christian setzte sich auf einen der Strohballen und bedeutete dem Spielmann, es sich ebenfalls bequem zu machen.
    »Meine Frau sagt, du suchst eine gut bezahlte Arbeit und eine Unterkunft«, meinte er leichthin. »Ich hätte einen besseren Vorschlag für dich als die Arbeit in den Gruben.«
    »Ich sagte Eurer Gemahlin bereits, dass ich nicht mehr singe und spiele, Herr«, antwortete Ludmillus leise mit versteinertem Gesicht.
    »Davon rede ich auch nicht«, erwiderte Christian ungerührt. »Ich brauche allmählich jemanden, der die Listen führt. Du hast doch lesen und schreiben gelernt, nicht

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