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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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Marathon«, erklärte Fiona.
    Behrendt drückte beiläufig die Play-Taste des bunten Kassettenrekorders, und das » Terröööh!« von Benjamin Blümchen erklang. Es schnürte Fiona beinahe die Luft ab. Panisch schaltete sie den Kassettenrekorder ab.
    »War’s das?«, fragte Fiona gereizt und sah Behrendt an, als hätte sie soeben ein Grab geschändet.
    Behrendt nickte, und Momente später saßen sie im Wohnzimmer.
    »Was ist eigentlich bei diesem Ärzte-Marathon rausgekommen?«, erkundigte sich Behrendt.
    Fiona zuckte mit den Achseln. »Nichts. Rein körperlich betrachtet, war Sophie ein kerngesundes Kind.«
    »Kerngesund?«, griff Behrendt auf und musterte Fiona eindringlich. »Frau Seeberg, Sophie hat in einem Alter, in dem andere Kinder schon ganze Sätze formulieren, noch immer kaum gesprochen. Und nach Angaben der Kita-Leiterin Ulrike Schneider war Ihnen zu jener Zeit nahegelegt worden, mit Sophie einen Kinderpsychologen aufzusuchen. Warum haben Sie das bei den Befragungen damals eigentlich verschwiegen?«
    Fiona zog ihre Beine an und umschlang sie mit beiden Armen. Ihre Hausschlappen rutschten auf die Dielen und gaben die Sicht auf ihre rot lackiertenZehennägel frei. »Ich wüsste nicht, warum das so wichtig gewesen sein sollte.«
    »Und warum sind Sie mit dem Kind, trotz eindringlicher Empfehlung, zu keinem Psychologen gegangen?« Der Vorwurf, der in Behrendts Stimme schwang, war mehr als deutlich.
    Erstaunt sah Kommissar Karstens seine Kollegin von der Seite an. Behrendts Methode, bei Befragungen bloße Vermutungen einfach so als Behauptungen in den Raum zu stellen, überraschte ihn jedes Mal aufs Neue. Und Fiona Seebergs ertappter Blick sagte ihm, dass Behrendts Strategie wieder einmal aufgegangen war.
    »Adrian hat nicht viel von so was gehalten. Außerdem dachten wir, das würde sich schon wieder legen«, erklärte sie schließlich.
    Behrendt verzog keine Miene. »Dürfte ich mal Ihr Badezimmer benutzen?«
    »Sicher. Die Gästetoilette ist am Ende des Flurs.«
    »Danke.« Behrendt verschwand. Und mit ihr die aggressive Anspannung, die im Raum geherrscht hatte. Erst jetzt fiel Fiona auf, dass Piet Karstens ihre Zehen betrachtete. Mehr aus Verlegenheit schlüpfte sie wieder in ihre Hausschlappen.
    Karstens straffte sich.
    »Adrian war aber nicht der einzige Grund, weshalb ich mit Sophie nicht zum Psychologen gegangen bin«, erzählte Fiona schließlich weiter. »Arztbesuche waren mit Sophie einfach unmöglich. Schon gegeneine einfache Routineuntersuchung beim Kinderarzt hat sie sich mit Händen und Füßen gewehrt. Sie haben ja keine Ahnung, was für ein Theater das jedes Mal war – dabei war der Kinderarzt sogar ein Bekannter von uns und nicht irgendein Fremder.«
    Sie wich seinem Blick aus.
    »Ja, das glaub ich Ihnen gerne«, bemerkte Karstens verständnisvoll.
    »Sie und Ihr Lebensgefährte sind wohl nicht sehr oft einer Meinung, was?«, fragte er dann.
    »Nein, die perfekte Beziehung führen wir wirklich nicht, wenn Sie das meinen. Aber welche Beziehung ist schon perfekt«, sagte sie.
    »An Sophie ging das damals sicher auch nicht spurlos vorbei. Ihr Lebensgefährte wurde aber nicht eventuell mal handgreiflich gegenüber Ihnen oder Ihrer Tochter?«
    »Handgreiflich? Adrian?« Fiona blickte den Kommissar an, als habe sie sich verhört. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    Karstens schürzte die Lippen. »Reine Routinefrage, sonst nichts«, erklärte er, als im Flur das Klingeln von Behrendts Handys laut wurde.
    Ein schneller Wortwechsel. Nach einer halben Ewigkeit kam Behrendt zurück ins Wohnzimmer. Betroffen blickte sie zu Karstens.
    »Das war das Sankt-Marien-Krankenhaus in Kreuzberg – Maria García hat’s nicht geschafft. Sieist heute um siebzehn Uhr zweiunddreißig auf der Intensivstation gestorben.«
    Karstens presste die Augenlider aufeinander und schüttelte den Kopf. »Scheiße!« Das Hochhaus, der Rauch, García, die reglos in der Küche gehangen hatte, das Päckchen mit der weißen Lilie auf dem Esstisch, alles zog noch einmal im Schnelldurchlauf an ihm vorbei.
    Fionas Hand fuhr zum Mund. »Frau García? Aber das … das ist ja furchtbar«, flüsterte sie und kam sich plötzlich unsagbar verloren vor.
    Frauke Behrendt trat zurück in den Flur, gefolgt von Piet Karstens, von dem Fiona nicht wollte, dass er geht. Sie wollte jetzt nicht allein sein. Natürlich sagte sie ihm das nicht.
    ***
    »Und setzen Sie doch bitte noch ein paar Flaschen Château Cheval Blanc auf die Liste«, wies Adrian

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