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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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aus und warf ihn in den Abfall unter der Spüle. »Da sieht es nun mal nicht besonders gut aus, wenn unser Name wieder in Verbindung steht mit …«
    »Moment«,unterbrach Fiona und hob protestierend die Hände. »Du willst mir nicht ernsthaft weismachen, dass ihr im Grunde nur deshalb hergekommen seid!«
    Fassungslos machte sie einen Schritt zurück. »Es geht euch gar nicht um Luna, nicht wahr? Es geht euch einzig und allein um euren guten Namen. Ich bin sprachlos.«
    Fionas Vater warf ihrer Mutter einen vorwurfsvollen Ich-hab-ja-gleich-gewusst-dass-das-so-enden-würde-Blick zu.
    »Fiona, Liebes, es ist ja nicht so, dass uns die Sache mit der kleinen Luna nicht auch naheginge«, meinte er schließlich kleinlaut, »vergiss nicht, wie sehr wir Sophie vergöttert haben.«
    »Aber das Leben muss nun mal weitergehen«, fügte Henriette Seeberg in gewohnt forscher Manier hinzu, »und da haben wir uns eben gedacht, dass …«
    Sie verstummte, als Fiona ihren Blick abwandte und plötzlich mit ausgestrecktem Arm zur Tür zeigte.
    »Raus!«
    Viktor Seeberg schob den Stuhl zurück und stand auf, um Fiona in den Arm zu nehmen, doch sie wich erneut zurück.
    »Raus, hab ich gesagt!«
    Ihre Hände zitterten vor Wut.
    »Wie du willst«, antwortete Henriette Seeberg scharfund folgte ihrem Mann, der bereits gesenkten Blicks die Küche verließ. Kaum eine halbe Minute später fiel die Wohnungstür zu.
    Fiona verharrte einen Moment lang wie versteinert, bevor sie die randvolle, vor sich hin dampfende Teetasse mit einer Hand vom Tisch schlug. Dann sank sie auf einem Stuhl in sich zusammen und konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten.
    ***
    (Noch in derselben Nacht rund hundert Kilometer vor Berlin)
    »Mamá, bist du da? Mamá, ich hab Durst!«, rief Luna García leise, als sie durch die Gitterstäbe des Kinderbetts in den Raum blickte, der lediglich von einer Kerze beleuchtet wurde. Schlagartig verstummte ihr Rufen, als sie begriff, dass das Bett, in dem sie lag, nicht ihr Bett war. Und es war auch nicht das von Tante Isabella oder sonst irgendwem, bei dem sie übernachtet hatten, wenn Papa wieder böse zu Mama gewesen war.
    Luna zwang sich, nicht zu weinen. Sie war schon ein großes Mädchen, sie konnte schon bis vierunddreißig zählen, ganz ohne Stützräder Fahrrad fahren und hatte sogar schon einmal eine Fohlengeburt gesehen. Und in fremden Betten zu schlafen,war für sie ein Klacks, sie war ja kein Baby mehr!
    Dieses Bett hier war allerdings doch irgendwie unheimlich. Und wo waren überhaupt die anderen Kinder von Timmis Geburtstagsfeier? Und die Löwen und die Affen und der kleine Eisbär aus dem Zoo? Sie musste unendlich lange geschlafen haben, bestimmt hundert oder tausend Jahre.
    Verängstigt betrachtete sie die entkleideten, kahlgeschorenen Barbiepuppen, die neben schwarzen Kreuzen und verblichenen Zeitungsartikeln mit Kinderfotos an der Wand hingen. Auf dem Boden stand ein Tablett mit Müsliriegeln, Bananen und einer Flasche Wasser.
    Und daneben: »Mister Brown!«, entfuhr es Luna überglücklich, als sie ihren Hamster putzmunter in einem großen Einmachglas erspähte. Luna streckte ihre kleine Hand nach dem Glas aus und versuchte, ihren schmalen Kinderkörper durch die Gitterstäbe zu zwängen, als ein schwacher Luftzug den stickigen Raum durchdrang, die Kerze erlosch und Luna hörte, wie sich die Tür hinter ihr mit einem leisen Quietschen öffnete.
    Geblendet vom hereinfallenden Tageslicht, sah sie eine Gestalt eintreten, die die Tür rasch hinter sich schloss. In dem Raum war es nun stockdunkel, und plötzlich spürte Luna eine Hand, die ihr den Mund zuhielt.
    »Pssch!«, hauchte ihr eine Stimme ins Ohr. »Jetzthör mir mal gut zu, du kleine Kröte! Dein Schicksal ist längst besiegelt. Aber ich, ich dürfte überhaupt nicht hier sein, und du hast mich nie gesehen, verstanden?«
    Luna nickte rasch. Dann flammte ein Streichholz auf und entzündete die Kerze erneut.
    Im schwachen Schein erkannte Luna die Umrisse eines Mannes. Und wer auch immer er war, er wollte nicht ihr Freund sein.
    »Du siehst doch deinen kleinen Liebling da«, flüsterte der Mann und entzündete ein weiteres Streichholz, das er nun direkt über den offenen Glasbehälter mit Mr Brown hielt.
    »Nein! Bitte nicht!«, flehte Luna erschrocken. »Bitte, bitte, tun Sie Mr Brown nichts!«
    Breit grinsend blies der Mann das Streichholz aus.
    »Das liegt ganz bei dir, süße kleine Luna. In ein paar Tagen bist du sowieso tot. Oh ja, es wird ein

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