Die Spur der Kinder
schon wieder heißen?«, erboste sich Karstens.
»Achkomm, Piet, glaubst du, mir ist nicht aufgefallen, wie du sie angesehen hast?«
Karstens wollte gerade etwas entgegensetzen, als sein Handy auf der Mittelkonsole auf sich aufmerksam machte.
»Ja, Karstens hier«, nahm er das Gespräch an. »Hallo Kikki«, sagte er und blickte erwartungsvoll zu Behrendt, »… ja … nein … komm schon, Kikki, ich hab keine Lust auf deine Ratespielchen, erzähl mir doch einfach, was Sache ist«, seufzte er. »… aha, okay«, murmelte er, hielt das Telefon für einen Moment beiseite und flüsterte Behrendt zu: »Solewski hat angerufen, wegen der DNA von dem Haar, das an Garcías Lilie gefunden wurde.« Dann sprach er wieder in den Hörer: »Und, was hat die Analyse nun ergeben?« Er kaute auf seiner Unterlippe. »Aha. Okay, verstehe. Und hast du die DNA schon im Strafregister überprüft?«, erkundigte er sich ungeduldig. »… hm … trotzdem, danke.« Enttäuscht legte er auf.
»Und?«, fragte Behrendt neugierig.
»Fehlanzeige. Es gab keine Übereinstimmung mit den DNA -Dateien im Strafregister.«
»Shit!«, stieß Behrendt aus und sah grimmig aus dem Fenster.
Wieder einmal glaubte Karstens jedoch, Behrendt anzusehen, dass es ihr in erster Linie um ihre Beförderung ging, die immer unwahrscheinlicher wurde, je mehr die Ermittlungen sich im Kreisedrehten. Doch er verkniff sich einen Kommentar.
»Eins ist laut DNA -Analyse allerdings sicher: Die Haarwurzel stammt eindeutig von einem Mann«, berichtete er weiter. »Wenn wir davon ausgehen, dass das Haar vom Täter stammt, dann können wir Fiona Seeberg mit Gewissheit ausschließen.«
»Na, Gott sei Dank, was, Piet?« Behrendt legte ihren Kopf schief. »Du kannst mich da vorne beim Italiener am Gendarmenmarkt rauslassen«, sagte sie knapp und ließ ihren Laptop in der Handtasche verschwinden. »Ich bin da verabredet.«
Karstens spitzte die Lippen. »Aha – und wer ist heute an der Reihe?«, fragte er und hielt vor dem Restaurant. »Astrid oder mal wieder dieser Josh?«
»Das geht dich gar nichts an«, meinte sie bissig, überprüfte im Rückspiegel den Sitz ihrer Frisur und stieg aus.
Karstens verbarg ein Grinsen, als sich seine Kollegin an der offenen Tür noch einmal zu ihm herunterbeugte.
»Da fällt mir noch eine Parallele zu Basic Instinct ein«, lächelte sie gehässig. »Die Polizeipsychologin – die hast du ja auch schon gefickt«, sagte sie, bevor sie die Beifahrertür energisch zuschmiss und Augenblicke später im Eingang des Restaurants verschwand.
Samstag,27. Juni
(Am frühen Abend)
Im ersten Stock des St.-Justus-Gemeindezentrums wurde es auf einmal mucksmäuschenstill, als Theresa mit rot geränderten Augen von ihrer Abtreibung erzählte. Der Eingriff lag bereits einige Zeit zurück, und warum sie ausgerechnet jetzt, heute und hier bei den Anonymen Alkoholikern ihr Schweigen brach, dafür hatte sie selbst keine Erklärung.
Nervös wickelte sie eine rote Haarsträhne um ihren Zeigefinger und erzählte mit zittriger Stimme, dass sie sich immerzu eingeredet hatte, der Vater des Kindes sei eben nur einer von vielen Männern in ihrem Leben gewesen. Eine vorübergehende Liebschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Unmittelbar nachdem sie ihm von der Schwangerschaft berichtet hatte, hat er jeglichen Kontakt abgebrochen. Das Kind alleine großzuziehen, stand für Theresa außer Frage, nicht zuletzt, weil ihr die finanziellen Mittel gefehlt hatten.
EinGruscheln wurde laut, als ihr eine junge Frau ein Taschentuch reichte. Theresa blickte in die betroffenen Gesichter und betonte, der Verlust dieses Kindes sei nicht der Grund für ihre Alkoholsucht gewesen.
»Und glaubst du, es würde dir helfen, uns zu erzählen, was der wahre Grund gewesen ist?«, fragte Claudie, die Sozialarbeiterin, vorsichtig nach.
Theresa schnäuzte in das Taschentuch, als die Tür aufging und Fiona, eine Entschuldigung für ihre Verspätung hustend, den Raum betrat. Ein Tuscheln machte die Runde, bevor Fiona mit rotem Kopf Platz nahm. Fiona schlug die Beine übereinander und strich ihren Rock glatt. Sie schien überrascht, Theresa weinen zu sehen.
»Weiter, Theresa. Lass ruhig alles raus«, warf Claudie ein und legte ein mildes Lächeln auf.
Doch Theresa war mit einem Mal verstummt. Nach einem flüchtigen Blick zu Fiona brach sie erneut in Tränen aus und lief überstürzt aus dem Raum.
Als sie die Stufen ins Foyer hinablief, hörte sie Fionas Stimme hinter sich. »Theresa, warte!«
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